Warum haben wir diesen Review durchgeführt?
Weltweit ist Luftverschmutzung ein erhebliches Problem für die öffentliche Gesundheit. Im Jahr 2016 waren ca. 4 Millionen Todesfälle auf Luftverschmutzung zurückzuführen, die meisten davon durch Herz-Kreislauf- oder Atemwegserkrankungen. Zudem ist Luftverschmutzung mit weiteren Gesundheitsproblemen in Zusammenhang gebracht worden, wie beispielsweise Asthma. Luftverschmutzung ist sowohl von Relevanz für Länder mit niedrigem und mittleren Pro-Kopf-Einkommen (wo sich die Luftqualität eventuell weiter verschlechtern wird) wie auch für Ländern mit hohem Pro-Kopf-Einkommen (in welchen sich die Luftverschmutzung in den letzten Jahrzehnten verringert hat).
In den letzten Jahren wurden diverse Gesetze und Programme mit dem Ziel eingeführt, Luftverschmutzung zu reduzieren. Beispielsweise Fahrverbote zur Reduktion des Autoverkehrs, die Einführung von Treibstoffstandards für Autos, Busse und andere Fahrzeuge, Regularien zur Reduktion der Luftverschmutzung durch Industrie und Betriebe oder den Austausch von wenig energieeffizienten Heizöfen durch effizientere, saubere Verbrennungsöfen. Bisher ist kein Review durchgeführt worden, welcher in systematischer Weise die Auswirkungen solcher Maßnahmen auf die Luftverschmutzung und deren gesundheitliche Folgen untersucht hat.
Was ist die Fragestellung des Reviews
Der Review untersucht, ob Maßnahmen, die die Luftverschmutzung außerhalb von geschlossenen Räumen reduzieren sollen, tatsächlich Auswirkungen auf die Luftverschmutzung und die gesundheitlichen Folgen von Luftverschmutzung haben.
Was sind die wesentlichen Ergebnisse dieses Reviews?
Wir identifizierten 42 wissenschaftliche Studien, die eine Reihe von Maßnahmen zur Reduktion von Luftverschmutzung untersuchten. Die eingeschlossenen Studien stammten aus verschiedenen Ländern weltweit, wobei die Mehrzahl aus Ländern mit hohem Pro-Kopf-Einkommen stammte. Die meisten zielten darauf ab, die Luftverschmutzung ausgehend von Autos und anderen Fahrzeugen zu reduzieren. Allerdings identifizierten wir auch Studien, die Maßnahmen zur Verringerung der Luftverschmutzung ausgehend von Heizen und Kochen in Haushalten, von Industriebetrieben oder auch ausgehend von einer Kombination verschiedener Quellen von Luftverschmutzung untersuchten.
Das Ziel des Reviews war es, herauszufinden ob diese Maßnahmen zu einer Verringerung der Gesamtanzahl an Todesfällen, der Anzahl an Todesfällen durch Herz-Kreislauf-Erkrankungen und der Todesfälle durch Atemwegserkrankungen führen. Der Review untersucht auch, ob die Maßnahmen die Anzahl an Krankenhausaufnahmen aufgrund Herz-Kreislauf- oder Atemwegprobleme verringern. Außerdem untersucht der Review, ob Änderungen in der Luftqualität zu beobachten waren; wobei Luftqualität an verschiedenen Schadstoffen gemessen wird, wie z.B. Feinstaub.
Die Studien, die in diesen Review eingeschlossen wurden, waren sehr unterschiedlich, sowohl in Hinsicht auf die untersuchten Gesetze und Programme, die Regionen, in denen sie umgesetzt wurden sowie die Methoden mit denen diese evaluiert wurden.
Die von uns identifizierte Evidenz hatte eine sehr niedrige oder niedrige Vertrauenswürdigkeit. Das bedeutet, dass wir uns nicht komplett sicher sein können, ob die Ergebnisse verlässlich sind. Gründe für die geringe Vertrauenswürdigkeit der Ergebnisse entstanden wegen der Art des Aufbaus, der Durchführung und der Analyse der Studien. Während einige Studien strikte Methoden einsetzten, war das bei anderen Studien nicht der Fall.
Insgesamt waren die Ergebnisse der Studien gemischt: Viele Studien konnten keine klaren Unterschiede in der Luftqualität oder der Gesundheit im Zusammenhang mit der Einführung der Maßnahmen feststellen, während andere über eindeutige Verbesserungen berichten. Nur bei einigen Studien wird über eine Verschlechterung der Luftqualität oder der Gesundheit berichtet, die möglicherweise mit den Maßnahmen zusammenhängt.
Wie interpretieren wir diese Ergebnisse?
Da die Studien sehr unterschiedlich waren, fällt es schwer allgemeingültige Schlussfolgerungen zu der Wirksamkeit der Interventionen zu ziehen. Es ist anspruchsvoll festzustellen, ob es zu Veränderungen der Luftqualität oder der Gesundheit von Bevölkerungen kommt. Noch komplexer ist es, diese Änderungen auf bestimmte Maßnahmen zurückzuführen. Die Konzentrationen von Schadstoffen in der Luft sind ständig im Wandel und aufgrund von Wetter und anderen Einflussfaktoren nur schwer vorhersagbar. Auch können sich zur gleichen Zeit auftretende Ereignisse auf die Luftqualität oder die Gesundheit einer Bevölkerung auswirken. Wenn zum Beispiel Regelungen zur Beschränkung von industrieller Luftverschmutzung eingeführt werden, muss beachtet werden, dass viele andere Veränderung zeitgleich geschehen könnten: Beispielsweise ein Anstieg der Verkehrsbelastung, eine Verbesserung der Heizsysteme in Wohngebäuden oder ein Wirtschaftsabschwung können alle die Luftverschmutzung beeinflussen. Es kann oft lange dauern, bis gesundheitliche Verbesserungen erkennbar werden. Wenn man die Ergebnisse dieses Reviews interpretiert, ist es daher wichtig zu beachten, dass nur, weil eine Studie keinen Beleg für die Wirksamkeit einer Maßnahme findet, dies nicht heißt, dass die Maßnahme unwirksam ist.
Weitere Untersuchungen von Maßnahmen zur Verringerung von Luftverschmutzung sind nötig, vor allem in Ländern mit niedrigem und mittlerem Pro-Kopf-Einkommen. Dabei sollten zukünftige Studien verlässlichere und standardisierte Methoden der Datenanalyse anwenden. Das würde dazu beitragen die Qualität der einzelnen Studien zu verbessern, wie auch unser Vertrauen in die Ergebnisse über alle Studien hinweg zu stärken.
Wie aktuell ist der Review?
Der Review schließt Studien bis 31. August 2016 ein; alle Studien, die nach diesem Datum veröffentlicht worden sind, sind in diesen Review nicht eingeschlossen worden.
Angesichts der Heterogenität der Interventionen, Endpunkte und Methoden, fällt es schwer, eine allgemeingültige Schlussfolgerung über die Wirksamkeit der untersuchten Maßnahmen bezüglich einer Verbesserung der Luftqualität oder Gesundheit abzuleiten. Die Mehrheit der eingeschlossenen Studien beobachteten entweder keine signifikante Assoziation in jedwede Richtungen oder eine Assoziation zugunsten der Intervention, mit wenig Evidenz dazu, dass die untersuchten Maßnahmen schädliche Auswirkungen zeigen könnten. Die Evidenzbasis hebt die Herausforderung hervor, einen Kausalzusammenhang zwischen konkreten Luftverschmutzungsinterventionen und spezifischen Endpunkten herzustellen. Vor dem Hintergrund dieser Herausforderungen sollten die Ergebnisse dieses systematischen Reviews zur Wirksamkeit mit Vorsicht behandelt werden. Es ist jedoch wichtig darauf hinzuweisen, dass ein Mangel an Evidenz für eine Assoziation nicht mit einer Evidenz für keine Assoziation gleichzusetzen ist.
Für einige Weltregionen war die Evidenz limitiert. Dies war insbesondere für Afrika, den Nahen Osten, Osteuropa, Zentralasien und Südostasien der Fall. Entscheidungsträger sollten die Entwicklung und Implementierung von Interventionen in diesen Regionen priorisieren. Bei der Einführung neuer Gesetze und Implementierung von Maßnahmen in der Zukunft sollten Entscheidungsträger die Integration von Komponenten erwägen, welche in stärkerem Maße eine systematische und umfassende Evaluation erlauben und fördern. Die Evaluationskomponenten könnten dabei auf die Wirksamkeit der Interventionen, sowie auf deren Umsetzbarkeit, Interventionstreue und die Akzeptabilität der Interventionen abzielen.
Die Erzeugung von qualitativ hochwertiger und einheitlicherer Evidenz könnte Entscheidungsprozesse unterstützen. Wissenschaftler sollten sich bemühen, Störvariablen in ausreichender Weise in Betracht zu ziehen, den Einfluss von methodische Entscheidungen durch Durchführung und Kommunikation von Sensitivitätsanalysen zu beurteilen und die Berichterstattung über Methoden und anderer Aspekte der Studie zu verbessern, insbesondere bezüglich der Beschreibung der Interventionen sowie des Kontexts, in dem diese implementiert wurden.
Luftverschmutzung ist sowohl in Ländern mit hohem als auch in Ländern mit niedrigem und mittlerem Pro-Kopf-Einkommen mit einer hohen Krankheitslast assoziiert. Bisher liegt noch kein systematischer Review vor, welcher die Wirksamkeit von Interventionen zur Reduzierung der Luftverschmutzung untersucht.
Ziel des Reviews ist es, die Wirksamkeit von Interventionen zur Reduktion der Feinstaubbelastung, im Sinne einer Verringerung der Schadstoffkonzentrationen und einer Verbesserung der damit assoziierten gesundheitsbezogenen Endpunkte zu analysieren.
Der systematische Review basiert auf einer extensiven Literatursuche in einer Reihe von elektronischen Datenbanken mit diversen thematischen Schwerpunkten, darunter Gesundheit und biomedizinische Forschung (CENTRAL, Cochrane Public Health Group Specialised Register, MEDLINE, EMBASE, PsychINFO), multidisziplinäre Forschung (Scopus, Science Citation Index), Sozialwissenschaften (Social Science Citation Index), Stadtplanung und Umwelt (Greenfile), sowie Länder mit niedrigem und mittlerem Pro-Kopf-Einkommen (Global Health Library regional indexes, WHOLIS). Zusätzlich wurden Datenbanken für graue Literatur, mehrere Online-Register für klinische Studien, die Referenzlisten eingeschlossener Studien und die Inhalte relevanter Fachzeitschriften durchsucht, um unveröffentlichte oder laufende Studien zu identifizieren und Studien, die mit der Suchstrategie nicht gefunden wurden. Das Datum der finalen Literatursuche in allen Datenbanken war der 31. August 2016.
Eingeschlossen wurden randomisierte und cluster-randomisierte kontrollierte Studien sowie einige nicht-randomisierte Studiendesigns, inklusive kontrollierte unterbrochene Zeitreihenanalysen (controlled interrupted time-series studies, cITS-EPOC), unterbrochene Zeitreihenanalysen gemäß EPOC-Standards (interrupted time-series studies adhering to EPOC standards, ITS-EPOC), unterbrochene Zeitreihenanalysen nicht gemäß EPOC-Standards (ITS), kontrollierte Vorher-Nachher-Studien gemäß EPOC-Standards (controlled before-after studies adhering to EPOC standards, CBA-EPOC), kontrollierte Vorher-Nachher-Studien nicht gemäß EPOC-Standards (CBA). Diese wurden als Hauptstudien klassifiziert. Zusätzlich wurden unkontrollierte Vorher-Nachher-Studien (uncontrolled before-after studies, UBA) als unterstützende Studien eingeschlossen. Es wurden Studien eingeschlossen, die Interventionen zur Reduktion von Luftverschmutzung aus Industrie-, Haushalts-, Verkehrsquellen und multiplen Quellen untersuchten. Diese wurden mit Blick auf die Auswirkung der Interventionen auf Mortalität, Morbidität und die Konzentration diverser Schadstoffe analysiert. Es wurde keine Einschränkung bezüglich Populationen, Settings oder Art der Kontrolle vorgenommen.
Im Anschluss an eine Kalibrierungsübung im Autorenteam, bewerteten je zwei Autoren unabhängig voneinander die Einschlussfähigkeit der Studien, extrahierten Daten aus den eingeschlossenen Studien und bewerteten das Risiko für Bias. Die Datenextraktion, die Bewertung des Risiko für Bias und die Evidenzsynthese wurden nur für die Hauptstudien durchgeführt. Die unterstützenden Studien wurden als Auflistung verschiedener Interventions- und Setting-Typen gehandhabt und kartiert. Für die Bewertung des Risiko für Bias wurde das Graphic Appraisal Tool for Epidemiological Studies (GATE) für Korrelationsstudien in der vom Centre for Public Health Excellence am UK National Institute for Health and Care Excellence (NICE) modifizierten und verwendeten Variante genutzt. Für jede Interventionskategorie (Interventionen, die auf Industrie-, Haushalts-, Verkehrsquellen sowie multiple Quellen als Emittoren abzielen) fassten wir die Evidenz narrativ und graphisch (Harvest plot) zusammen.
Es wurden 42 Hauptstudien eingeschlossen, die 38 einzelne Interventionen analysierten. Diese zeigten eine Heterogenität, hinsichtlich des Settings: Die Interventionen wurden weltweit implementiert, wobei die meisten (79% der Interventionen) in Ländern mit hohem Pro-Kopf-Einkommen umgesetzt wurden, während die Verbleibenden über verschiedene Länder mit niedrigem und mittlerem Pro-Kopf-Einkommen verteilt waren. Die meisten Interventionen (76%) wurden in städtischen oder kommunalen Settings implementiert.
Es wurde eine heterogene Mischung an Interventionen identifiziert, einschließlich solche mit Fokus auf Industrie (n=5), Haushalte (n=7), Verkehr (n=22) als Quellen der Luftverschmutzung sowie multiple Quellen (n=4). Einige spezifische Interventionen, wie zum Beispiel Umweltzonen und der Austausch von Verbrennungsöfen, wurden von mehreren Studien analysiert, während andere, wie beispielsweise das Verbot von Holzverfeuerung, nur von einer Studie untersucht wurden.
Die meisten Studien die Endpunkte zu Gesundheit und Luftqualität analysierten, bezogen sich auf routinemäßig erfasste Monitoringdaten. Studien mit Fokus auf gesundheitsbezogene Endpunkte untersuchten diese meistens mit Blick auf die Bevölkerung insgesamt, während nur wenige Studien Subgruppen wie Säuglinge, Kinder und Senioren im Fokus hatten. Keine der eingeschlossenen Studien untersuchte unbeabsichtigte oder unerwünschte Wirkungen.
Die Bewertungen des Risiko für Bias zeigten gemischte Ergebnisse: Bezüglich der Ergebnisse zu gesundheitsbezogenen Endpunkten klassifizierten wir das Risiko für Bias in acht Studien (47%) als gering, in fünf Studien (29%) als mäßig und in vier Studien (24%) als hoch. Für Endpunkte bzgl. Luftqualität bewerteten wir das Risiko für Bias in 11 Studien (31%) gering, in 16 Studien (46%) als mäßig und in acht Studien (23%) als hoch.
Die Evidenzbasis, die ausschließlich aus nichtrandomisierten Studien besteht, wurde als von niedriger bis sehr niedriger Vertrauenswürdigkeit eingeschätzt bezüglich aller Interventionskategorien und primärer Endpunkte. Die narrative und graphische Synthese zeigt, dass die Evidenz zur Wirksamkeit über alle vier Interventionskategorien hinweg gemischt ausfällt. Für Interventionen mit Fokus auf Industrie- und Haushaltsquellen sowie multiple Quellen zeigte sich sowohl hinsichtlich gesundheitsbezogener Endpunkte als auch der Endpunkte zu Luftqualität ein ähnliches Muster: die Ergebnisse zeigten bei allen Studien entweder eine signifikante Assoziation zugunsten der Intervention oder keine eindeutige Assoziation in jedwede Richtungen. Die Evidenzbasis für Interventionen mit Fokus auf Fahrzeuge als Quellen war heterogener: hier berichteten eine kleine Anzahl an Studien signifikante Assoziationen zugunsten der Kontrollinterventionen. Insgesamt deuten die Ergebnisse dieses systematischen Reviews darauf hin, dass die analysierten Interventionen weder die Luftqualität noch die Gesundheit verschlechtern.
Pettenkofer School of Public Health, freigegeben durch Cochrane Deutschland.