Insulin-Dosis-Schemata für hospitalisierte, nicht kritisch erkrankte Erwachsene mit Diabetes mellitus

Fragestellung

Welche Wirkungen treten bei der Anwendung von Insulin-Dosis-Schemata bei an Diabetes Mellitus leidenden, nicht kritisch erkrankten hospitalisierten Erwachsenen im Vergleich zu anderen Insulinbehandlungen auf?

Hintergrund

Es gibt verschiedene Behandlungsmöglichkeiten bei Menschen mit Diabetes, die ins Krankenhaus eingeliefert werden. Sowohl niedrige Glukosewerte (Hypoglykämie) als auch hohe Glukosewerte (Hyperglykämie) können ein erhöhtes Todesrisiko bedeuten, ebenso steigt die Wahrscheinlichkeit für Komplikationen, z.B. Infektionen - und für einen längeren Krankenhausaufenthalt. Sie sollten daher vermieden werden. Die gängigste Methode, um Patienten mit Diabetes im Krankenhaus zu behandeln ist die Therapie mit Insulin-Dosis-Schemata. Der Begriff ‘Insulin-Dosis-Schemata‘ bezieht sich auf die zunehmende und vom Blutzuckerspiegel vor den Mahlzeiten abhängigen Dosis der Insulinverabreichung. Bei einer Person mit einem Blutzuckerspiegel zwischen 140 mg/dL und 180 mg/dL könnten beispielsweise vier Einheiten eine kurz wirkende, übliche Insulindosis sein und bei einem Blutzuckerspiegel zwischen 181 mg/dL und 220 mg/dL könnten sechs Insulineinheiten angesetzt sein. Während diese Art der starren Insulinapplikation in der Regel die bei jeder Mahlzeit aufzunehmende Menge an Kohlenhydraten bestimmt, liefert sie Insulin jedoch nicht auf physiologische Weise. Das Erreichen einer guten Blutzuckerkontrolle (zufriedenstellende Blutzuckerwerte) durch Insulin-Dosis-Schemata bei Diabetikern im Krankenhaus und das langfristige Erzielen besserer Ergebnisse durch diesen Ansatz ist daher zweifelhaft. Es gibt auch weitere Insulinstrategien wie Basal-Insulin in Kombination mit flexiblen Insulingaben vor den Mahlzeiten (Bolus-Insulin), die sich nach der Menge und der Zusammensetzung der Mahlzeiten richten. Bei Insulin-Dosis-Schemata muss ein strikter Essens- und Bewegungsplan eingehalten werden. Hierzu gehört auch eine genau vorgeschriebene Diät. Die intensivierte Insulintherapie (Basal-Bolus-Therapie) ermöglicht flexible, an körperliche Aktivität, Stress und Essensvorlieben angepasste Insulindosen. Sie erfordert unter Krankenhausbedingungen ein gut ausgebildetes medizinisches Personal. Der Einsatz von Insulin-Dosis-Schemata ist nach wie vor weit verbreitet und es bleibt unklar, welche Insulinstrategie für die Behandlung von Diabetikern im Krankenhaus am besten geeignet ist.

Studienmerkmale

Wir konnten acht randomisierte kontrollierte Studien finden (Studien, in denen die Teilnehmende nach dem Zufallsprinzip einer von zwei oder mehr Behandlungsgruppen zugeordnet werden), in denen 387 Personen mit Insulin-Dosis-Schemata und 615 Personen mit hauptsächlich Basal-Bolus-Insulintherapie, mit Typ-2-Diabetes, analysiert werden konnten. Die durchschnittliche Verweildauer im Krankenhaus lag zwischen fünf und 24 Tagen. In sechs Studien wurden Insulin-Dosis-Schemata mit Basal-Bolus-Insulin verglichen; eine Studie verglich Insulin-Dosis-Schemata nur mit Basalinsulin und die verbleibende Studie nutzte eine kontinuierliche Insulininfusion für die Kontrollgruppe. Die Studienteilnehmenden waren im Schnitt zwischen 44,5 und 71 Jahre alt.

Die Evidenz ist auf dem Stand von Dezember 2017.

Hauptergebnisse

Der Vergleich war hauptsächlich zwischen Insulin-Dosis-Schemata und der Basal-Bolus-Insulintherapie und erbrachte die folgenden Ergebnisse. In den vier Studien, in denen Todesfälle berichtet wurden, verstarb einer von 268 Teilnehmenden in der Gruppe mit Insulin-Dosis-Schemata, verglichen mit zwei von 334 Teilnehmenden in der Basal-Bolus-Gruppe. In den Insulingruppen traten schwere hypoglykämische Episoden (definiert als Blutzuckerwerte unter 40 mg/dL) auf. In der Gruppe mit Insulin-Dosis-Schemata ereignete sich dies bei fünf pro 1000 Personen, verglichen mit 24 pro 1000 Personen in der Insulingruppe mit Basal-Bolus-Therapie. Bezüglich dieser Daten sind wir uns unsicher, da weitere Analysen beim Vergleich beider Insulinstrategien weder eine positive noch eine negative Auswirkung zeigten. Im Vergleich zu den Gruppen mit Basal-Bolus-Insulin war bei den Gruppen mit Insulin-Dosis-Schemata die Verweildauer im Krankenhaus 0,5 Tage länger. Weitere Analysen deuteten darauf hin, dass auch diese Informationen unsicher sind. Die Ergebnisse für andere unerwünschte Ereignisse als hypoglykämische Episoden, z.B. postoperative Infektionen, deuteten nicht auf einen Vor- oder Nachteil einer dieser beiden Strategien hin. Beim Gruppenvergleich lag der durchschnittliche Blutzuckerspiegel bei der Behandlung mit Insulin-Dosis-Schemata während des Krankenhausaufenthaltes um 14,8 mg/dL höher als bei der Behandlung mit Basal-Bolus-Insulin. Bezüglich dieser Daten sind wir uns unsicher, da die Analysen beim Vergleich beider Insulinstrategien weder eine positive noch eine negative Wirkung zeigten. Keine der Studien berichtete über Todesfälle aufgrund von Diabetes selbst oder über sozioökonomische Auswirkungen, wie z.B. Interventionskosten oder Arbeitsabwesenheit.

Vertrauenswürdigkeit der Evidenz

Insgesamt war unser Vertrauen in die Ergebnisse bei allen untersuchten Endpunkten niedrig oder sehr niedrig. Dies ist hauptsächlich auf die geringe Anzahl Studien und Teilnehmende zurückzuführen sowie auf die unzureichende Präzision in den Ergebnissen, die sich nach Veröffentlichung neuer Studien in jede Richtung ändern können.

Schlussfolgerungen der Autoren: 

Wir sind uns nicht sicher, welche Insulinstrategie (Insulin-Dosis-Schemata oder Basal-Bolus-Insulin) für nicht kritisch erkrankte hospitalisierte Erwachsene mit Diabetes mellitus am besten geeignet ist. Zwar könnte eine Basal-Bolus-Insulin-Strategie bei diesen Patienten zu einer besseren kurzfristigen glykämischen Kontrolle führen, gleichzeitig aber auch deren Risiko für schwere hypoglykämische Episoden erhöhen. Die Vertrauenswürdigkeit der Evidenz, die Insulin-Dosis-Schemata mit Basal-Bolus-Insulin vergleicht, war niedrig bis sehr niedrig und sollte durch adäquat durchgeführte und ausreichend gepowerte RCTs in verschiedenen Krankenhausumgebungen mit gut ausgebildetem medizinischen Personal durchgeführt werden. Auch sollten sowohl in Interventions- als auch in Vergleichsarmen identisch kurz wirksame Insuline verwendet werden, um den starren Insulin-Dosis-Schemata-Ansatz mit flexiblen Insulinanwendungsstrategien zu vergleichen.

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Hintergrund: 

Diabetes mellitus ist eine Stoffwechselstörung, die durch einen Defekt der Insulinsekretion, deren Funktion oder beidem ausgelöst wird. Bei nicht kritisch erkrankten Menschen im Krankenhaus ist eine Hyperglykämie mit schlechten klinischen Ergebnissen (Infektionen, längerer Krankenhausaufenthalt, schlechte Wundheilung, höhere Morbidität und Mortalität) verbunden. Im Krankenhaus erhalten Menschen, bei denen Diabetes diagnostiziert wurde, im Rahmen ihrer Behandlung eine Insulintherapie, um eine metabolische Kontrolle / (Stoffwechseleinstellung) zu erreichen. Die Insulintherapie kann jedoch mit verschiedenen Strategien erfolgen (Insulin-Dosis-Schemata, Basal-Bolus-Insulin und andere Modalitäten). Insulin-Dosis-Schemata sind die derzeit am häufigsten angewandten Methoden, aber es besteht Unsicherheit darüber, welche Strategie die besten Ergebnisse für Patienten erzielt.

Zielsetzungen: 

Es sollten die Auswirkungen von Insulin-Dosis-Schemata auf nicht kritisch erkrankte hospitalisierte Erwachsene mit Diabetes Mellitus untersucht werden.

Suchstrategie: 

Die Suche nach geeigneten Studien erfolgte in den Datenbanken MEDLINE, Embase, LILACS und Cochrane Library. Zudem durchsuchten wir die beiden Studienregister International Clinical Trials Registry Platform (ICTRP) der World Health Organization sowie ClinicalTrials.gov. Das Datum der letzten Suche in allen Datenbanken war Dezember 2017. Wir prüften auch die Referenzlisten der identifizierten randomisierten kontrollierten Studien (RCTs) und systematischen Reviews und kontaktierten die Autoren der Studien.

Auswahlkriterien: 

Wir schlossen RCTs ein, die Insulin-Dosis-Schemata mit anderen Strategien zur Blutzuckerkontrolle bei nicht kritisch kranken erwachsenen Teilnehmenden jeglichen Geschlechts mit Diabetes mellitus im Krankenhaus verglichen.

Datensammlung und ‐analyse: 

Zwei Review-Autoren extrahierten unabhängig voneinander die Daten,bewerteten die Studien im Hinblick auf das Risiko für Bias und die Gesamtsicherheit der Evidenz mit Hilfe des GRADE- Instruments. Wir fassten die Daten mit Hilfe einer Random-Effects-Metaanalyse mit 95% Prädiktionsintervallen (wenn möglich) oder einer deskriptiven Analyse (wie jeweils anwendbar) zusammen.

Hauptergebnisse: 

Von 720 überprüften Datensätzen schlossen wir acht Studien ein, die 1048 an Typ-2-Diabetes erkrankte Teilnehmende randomisierten (für die endgültige Analyse standen 387 Teilnehmende aus der Insulin-Dosis-Schemata Gruppe und 615 Teilnehmende in den Vergleichsgruppen zur Verfügung). Wir schlossen Erwachsene mit diagnostiziertem Diabetes mellitus ein, die aus medizinischer und chirurgischer Sicht nicht kritisch erkrankt sind. Die durchschnittliche Nachbeobachtungszeit wurde anhand der durchschnittlichen Dauer des Krankenhausaufenthalts gemessen und lag zwischen fünf und 24 Tagen. Das Durchschnittsalter der Teilnehmenden lag zwischen 44,5 und 71 Jahren.

Insgesamt beurteilten wir das Risiko für Bias auf Studienebene als unklar für Selektionsbias, hoch für den endpunktbezogenen Performance- und Detection-Bias in Bezug auf hypoglykämische Episoden, andere unerwünschte Ereignisse und durchschnittliche Blutzuckerwerten - und niedrig für die Gesamtmortalität und die Dauer des Krankenhausaufenthaltes. Attrition-Bias war bei allen gemessenen Ergebnissen niedrig.

In sechs Studien wurden Insulin-Dosis-Schemata mit einem Basal-Bolus-Insulin-Schema verglichen, wobei drei dieser Studien, in denen 64% aller Teilnehmenden dieser Kategorie untersucht wurden, in der Bolus-Vergleichsgruppe ebenfalls einen Ansatz mit Insulin-Dosis-Schemata anwendeten. Eine Studie nutzte eine reine Basalinsulintherapie als Vergleichsgruppe, während die andere Studie eine kontinuierliche Insulininfusion verwendete. Unser Hauptvergleich zwischen Insulin-Dosis-Schemata und Basal-Bolus-Insulin führte zu den folgenden Ergebnissen. Vier Studien berichteten über Sterblichkeitsdaten. Einer von 268 Teilnehmenden in der Insulin-Dosis-Schemata-Gruppe (0,3%) im Vergleich zu zwei von 334 Teilnehmenden in der Basal-Bolus-Gruppe (0,6%) starb (niedrige Vertrauenswürdigkeit der Evidenz). Schwere hypoglykämische Episoden, definiert als Blutzuckerwerte unter 40 mg/dL (2,2 mmol/L), zeigten ein Risiko-Verhältnis (RR) von 0,22, 95% Konfidenzintervall (KI) 0,05 bis 1,00; P = 0,05; fünf Studien, 667 Teilnehmende; sehr niedrige Vertrauenswürdigkeit der Evidenz. Das 95% Prädiktionsintervall lag zwischen 0,02 und 2,57. Alle neun schweren hypoglykämischen Episoden wurden bei den 369 Teilnehmenden mit Basal-Bolus-Insulin (2,4%) beobachtet. Die durchschnittliche Dauer des Krankenhausaufenthaltes war in der Insulin-Dosis-Schemata-Gruppe 0,5 Tage länger, 95% KI -0,5 bis 1,4; P = 0,32; sechs Studien ; 717 Teilnehmende, sehr niedrige Vertrauenswürdigkeit der Evidenz. Das 95% Prädiktionsintervall lag zwischen -1,7 Tagen und 2,7 Tagen. Unerwünschte Ereignisse außer hypoglykämischen Episoden, wie z.B. postoperative Infektionen, zeigten ein RR von 1,16, 95% KI 0,25 bis 5,37; P = 0,85; drei Studien; 481 Teilnehmende; Evidenz mit sehr niedriger Vertrauenswürdigkeit. Die durchschnittlichen Blutzuckerwerte zwischen den Basal-Bolus-Gruppen reichten von 156 mg/dL (8,7 mmol/L) bis 221 mg/dL (12,3 mmol/L). Der durchschnittliche Blutzuckerspiegel war in den Insulin-Dosis-Schemata-Gruppen um 14,8 mg/dL (0,8 mmol/L) höher (95% KI 7,8 (0,4) bis 21,8 (1,2); P < 0,001; sechs Studien, 717 Teilnehmende; Evidenz mit niedriger Vertrauenswürdigkeit). Das 95% Prädiktionsintervall lag im Schnitt zwischen -3,6 mg/dL (-0,2 mmol/L) und 33,2 mg/dL (1,8 mmol/dL). Keine Studie berichtete über diabetesbedingte Mortalität oder sozioökonomische Auswirkungen.

Anmerkungen zur Übersetzung: 

S. Schneider, freigegeben durch Cochrane Deutschland.

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