Fragestellung
Dieser Review wurde erstellt, um zu beurteilen, ob das Kühlen des Mundes während einer Krebsbehandlung durch Eis, Eiswasser, Eiscreme oder Eislutscher helfen kann, Entzündungen und Geschwüre der Mundschleimhaut bei Kindern und Erwachsenen zu verhindern.
Hintergrund
In der Krebsbehandlung können als Nebenwirkung Entzündungen der Mundschleimhaut und Geschwüre im Mund auftreten. Diese Nebenwirkung wird orale Mukositis genannt und betrifft über 75 % der Hochrisikopatienten (Strahlentherapie an Kopf und Hals oder hochdosierte Chemotherapie). Die dadurch verursachten Schmerzen können beträchtlich sein und sogar das Essen und Trinken unmöglich machen; die Patienten müssen in diesem Fall starke Schmerzmittel einnehmen, im Krankenhaus bleiben und über eine Magensonde oder sogar intravenös ernährt werden. Dies wiederum kann eine Unterbrechung ihrer Krebsbehandlung nach sich ziehen, sodass sie nicht die bestmögliche Behandlung erhalten. In der Folge können die Überlebenschancen dieser Patienten sinken und dem Gesundheitssystem höhere Kosten entstehen. Krebspatienten haben aufgrund ihrer Behandlung ein geschwächtes Immunsystem, ihre Körper können sich also schlechter gegen Infektionen wehren. Dies kann zum Problem werden, wenn Bakterien durch ein Geschwür mit offener Wunde in den Körper gelangen; es kann zu einer lebensgefährlichen Sepsis kommen (einer Ausweitung der Entzündungsreaktion des Körpers bei einer Infektion), die eine Antibiotikabehandlung und die Einweisung ins Krankenhaus erfordert.
Als orale Kryotherapie wird das Kühlen des Mundes mit Eis, Eiswasser, Eiscreme oder Eislutschern bezeichnet. Sie soll orale Mukositis bei Patienten verhindern, die bestimmte Arten von Chemotherapie bekommen, da die Kälte die Blutgefäße im Mund zusammenzieht und somit weniger mit Chemotherapeutika belastetes Blut den Mund erreicht und orale Mukositis verursachen kann. Es handelt sich um eine preiswerte, natürliche Behandlung ohne schwerwiegende Nebenwirkungen.
Studienmerkmale
Autoren der Cochrane Oral Health Group führten diesen Review zu bestehenden Studien durch; die Evidenz ist auf dem Stand vom 17. Juni 2015. Es wurden 14 Studien eingeschlossen, die zwischen 1991 und 2015 veröffentlicht wurden und in denen 1316 Teilnehmer randomisiert wurden (von denen 1280 in die Analysen aufgenommen wurden). Die randomisierten Teilnehmer erhielten nach dem Zufallsprinzip entweder eine orale Kryotherapie, die Standardbehandlung (in der Regel Mundspülungen mit Kochsalzlösung), keine Behandlung, eine andere Behandlung oder eine andere Art von oraler Kryotherapie. Anschließend wurde die Anzahl der Patienten mit oraler Mukositis unterschiedlicher Schweregrade in den einzelnen Gruppen verglichen. Der überwiegende Teil der Evidenz bezog sich auf Erwachsene, die orale Kryotherapie im Vergleich zur Standardversorgung oder keiner Behandlung bekamen. Diese Evidenz fiel in eine von zwei Kategorien: 1) Erwachsene, die eine Behandlung auf Fluorouracil-(5-FU-)Basis gegen solide Tumoren erhielten und 2) Erwachsene, die eine hochdosierte Krebsbehandlung auf Melphalan-Basis vor einer hämatopoetischen Stammzelltransplantation (HSZT) erhielten. Eine HSZT soll dem Körper helfen, alle Arten von Blutzellen nachzuproduzieren, die während der Krebsbehandlung zerstört werden.
Hauptergebnisse
Es gibt Evidenz dafür, dass die orale Kryotherapie die Anzahl von Erwachsenen stark verringern kann, die nach einer 5-FU-basierten Behandlung gegen solide Tumoren eine orale Mukositis aller Schweregrade entwickeln. Weniger eindeutige Evidenz deutet darauf hin, dass die orale Kryotherapie die Anzahl der Erwachsenen verringern kann, die nach einer Behandlung mit hochdosiertem Melphalan vor einer HSZT eine orale Mukositis entwickeln. Die Evidenz zeigt zwar, dass die Therapie das Auftreten oraler Mukositis bei diesen Erwachsenen verringert, doch das Ausmaß der Verringerung ist viel weniger klar. Eindeutigere Evidenz gibt es jedoch dafür, dass schwere orale Mukositis bei diesen Erwachsenen seltener auftritt.
Die orale Kryotherapie führte bei keinem der Teilnehmer an diesen Studien zu schwerwiegenden Nebenwirkungen. Die meisten Patienten schienen sie auch korrekt auszuführen und zu Ende bringen zu können.
Qualität der Evidenz
Die vorgestellte Evidenz zum Hauptendpunkt, ob Patienten orale Mukositis aller Schweregrade entwickelten oder nicht, ist von moderater bis niedriger Qualität. Als moderat wurde die Qualität bewertet, weil aufgrund der Art der Behandlung mit oraler Kryotherapie die Studien nicht „verblindet“ werden konnten, was ein wünschenswertes Merkmal solcher Studien ist; eine niedrige Qualität hatten solche Studien, die zusätzlich zu dieser Schwierigkeit zu unterschiedliche Ergebnisse erbrachten, um bei der Kombination mit anderen Studien ein präzises Ergebnis liefern zu können.
S. Schmidt-Wussow, freigegeben durch Cochrane Schweiz.