Ist Metformin eine wirksame Behandlung für Erwachsene mit Typ-2-Diabetes?

Hintergrund
Typ-2-Diabetes ist eine Erkrankung, die einen hohen Zuckergehalt im Blut verursacht. Der Blutzuckerspiegel wird durch Insulin gesteuert, ein von der Bauchspeicheldrüse produziertes Hormon. Das Insulin weist die Leber, die Muskeln und die Fettzellen an, Zucker aus dem Blut aufzunehmen und zu speichern. Wenn die Bauchspeicheldrüse nicht genügend Insulin produziert oder der Körper nicht auf Insulin reagiert, verbleibt zu viel Zucker im Blut. Es gibt viele Medikamente zur Behandlung von Typ-2-Diabetes. Sie zielen darauf ab, den Zuckergehalt im Blut zu senken und Langzeitkomplikationen von Diabetes zu verringern. Das erste Medikament, das Menschen mit Typ-2-Diabetes üblicherweise verschrieben wird, ist Metformin. Metformin wirkt, indem es die Menge an Zucker reduziert, die die Leber in das Blut abgibt. Zudem verbessert es die Art und Weise wie der Körpers auf Insulin reagiert.

Wir wollten herausfinden, ob Metformin eine wirksame Behandlung für Typ-2-Diabetes ist und ob es unerwünschte Ereignisse verursacht. Außerdem wollten wir seine Wirkung mit anderen antidiabetischen Medikamenten und mit Ernährungs- oder Bewegungsprogrammen oder beidem vergleichen. Uns interessierten insbesondere die Endpunkte Tod, schwerwiegende unerwünschte Ereignisse, gesundheitsbezogene Lebensqualität, Tod durch kardiovaskuläre Ursachen, und nichttödliche Komplikationen von Diabetes (z.B. Herzinfarkt, Schlaganfall oder Nierenversagen).

Wonach haben wir gesucht?
Wir suchten in medizinischen Datenbanken nach Studien, die:
- randomisierte kontrollierte Studien waren: Randomisierte kontrollierte Studien sind medizinische Studien, in denen die Teilnehmer nach dem Zufallsprinzip in eine der Behandlungsgruppen eingeteilt werden. Dieser Studientyp liefert die zuverlässigste Evidenz darüber, ob eine Behandlung einen Unterschied bewirkt;
— Personen ab 18 Jahren mit Typ-2-Diabetes einschlossen;
— Metformin verglichen mit: einem Placebo (Scheinbehandlung); keiner Behandlung; Ernährungsprogrammen, die den Personen helfen sollen, sich gut zu ernähren; oder einem anderen Medikament, das den Blutzuckerspiegel senkt;
— mindestens ein Jahr andauerten.

Was haben wir herausgefunden?
Wir fanden 18 Studien mit mehreren Behandlungsgruppen und insgesamt 10.680 Teilnehmern. Die Studien dauerten zwischen einem Jahr und etwa 11 Jahren. Sie verglichen Metformin mit:
— Insulininjektionen (zwei Studien);
— anderen Medikamenten, die den Blutzuckerspiegel senken: Sulfonylharnstoffen (sieben Studien); Glitazonen (sieben Studien); Dipeptidylpeptidase-4-Inhibitoren (drei Studien); einem GLP-1-Rezeptor-Agonist (eine Studie); einem Glinid (eine Studie);
— keiner Behandlung (zwei Studien).

Keine der Studien verglich Metformin mit einem Placebo oder mit Ernährungs- oder Bewegungsprogrammen.

Hauptergebnisse
Fast alle Studien untersuchten Laborwerte zur Blutzuckerkontrolle, z.B. Nüchternblutzucker. Es gab jedoch nur wenige Informationen zu patientenrelevanten Endpunkten wie Tod, schwere unerwünschte Ereignisse, gesundheitsbezogene Lebensqualität, Tod durch kardiovaskuläre Ursachen und nichttödliche Komplikationen von Diabetes, wenn Metformin mit anderen blutzuckersenkenden Medikamenten, Placebo oder keiner Intervention verglichen wurde. Die verfügbaren Daten zeigten keinen eindeutigen Nutzen oder Schaden von Metformin.

Vier laufende Studien mit 5824 Teilnehmern planen über einen oder mehrere Endpunkte zu berichten, an denen wir besonders interessiert sind. Sie werden zwischen 2018 und 2024 abgeschlossen sein. Darüber hinaus könnten 24 Studien mit 2369 Teilnehmern für eine zukünftige Aktualisierung unseres Reviews verwendet werden, sobald die Ergebnisse veröffentlicht sind.

Vertrauenswürdigkeit der Evidenz
Alle Studien in diesem Review wurden unzureichend durchgeführt. Die Anzahl der Teilnehmer in den meisten Behandlungsvergleichen war gering. Auch wenn die Studien einige Daten berichteten, ist unser Vertrauen in die Ergebnisse der Vergleiche sehr gering. Zukünftige Studien könnten unsere Forschungsergebnisse wesentlich verändern.

Wie aktuell ist dieser Review?
Diese Evidenz ist auf dem Stand vom 2. Dezember 2019.

Schlussfolgerungen der Autoren: 

Es gibt keine eindeutige Evidenz auf die Frage, ob eine Monotherapie mit Metformin im Vergleich zu keiner Intervention, verhaltensverändernden Interventionen oder anderen blutzuckersenkenden Medikamenten patientenrelevante Endpunkte beeinflusst.

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Hintergrund: 

Weltweit nimmt die Inzidenz von Diabetes mellitus Typ 2 (T2DM) zu. Metformin ist nach wie vor das empfohlene Erstlinien-Medikament zur Blutglukosesenkung bei Menschen mit T2DM. Dennoch sind die Auswirkungen von Metformin auf patientenrelevante Endpunkte noch nicht geklärt.

Zielsetzungen: 

Es sollten die Auswirkungen einer Metformin-Monotherapie bei Erwachsenen mit T2DM untersucht werden.

Suchstrategie: 

Wir stützten unsere Suche auf einen systematischen Bericht der Agency for Healthcare Research and Quality und durchsuchten ergänzend folgende Datenbanken: CENTRAL, MEDLINE, Embase, WHO ICTRP und ClinicalTrials.gov. Darüber hinaus durchsuchten wir die Referenzlisten eingeschlossener Studien und systematischer Reviews sowie Health Technology Assessment Berichte und Datenbanken von Zulassungsbehörden. Das Datum der letzten Suche in allen Datenbanken war der 2. Dezember 2019, außer für Embase (dort wurde bis zum 28. April 2017 gesucht).

Auswahlkriterien: 

Wir schlossen randomisierte kontrollierte Studien (RCTs) mit einer Dauer von mindestens einem Jahr ein, in denen eine Metformin-Monotherapie mit entweder keiner Intervention, mit einer verhaltensverändernden Intervention oder mit anderen Blutglukosesenkenden Medikamenten bei Erwachsenen mit T2DM verglichen wurde.

Datensammlung und ‐analyse: 

Unabhängig voneinander lasen zwei Review-Autoren alle Abstracts und Volltextartikel/Datensätze, beurteilten das Risiko für Bias und extrahierten die Ergebnisse. Wir lösten Unstimmigkeiten durch Hinzuziehen eines dritten Review-Autors. Für die Meta-Analysen verwendeten wir ein Random Effects Modell mit relativen Risikos (RR) für dichotome Endpunkte und Mittelwertdifferenzen (MDs) für kontinuierliche Endpunkte, jeweils mit 95%-Konfidenzintervallen (KIs) für die Effektschätzer. Zur Beurteilung der Vertrauenswürdigkeit der Evidenz verwendeten wir die GRADE-Kriterien.

Hauptergebnisse: 

Wir schlossen 18 RCTs mit mannigfachen Behandlungsgruppen ein (N = 10.680). Der prozentuale Anteil der Teilnehmer, die die Studien vollendeten, lag in allen Gruppen bei etwa 58 %. Die Behandlungsdauer lag zwischen einem und 10,7 Jahren. Wir stuften das Risiko für Bias bei keiner der Studien in allen Domänen als niedrig ein. Die Hauptendpunkte von Interesse waren die Gesamtmortalität, schwere unerwünschte Ereignisse (serious adverse events, SAEs), gesundheitsbezogene Lebensqualität (health-related quality of life, HRQoL), kardiovaskuläre Mortalität (cardiovascular mortality, CVM), nichttödlicher Myokardinfarkt (non-fatal myocardial infarction, NFMI), nichttödlicher Schlaganfall (non-fatal stroke, NFS) und terminale Niereninsuffizienz (end-stage renal disease, ESRD).

Zwei Studien verglichen Metformin (N = 370) mit Insulin (N = 454). In keiner der beiden Studien wurde über die Gesamtmortalität, SAE, CVM, NFMI, NFS oder ESRD berichtet. Eine Studie lieferte Informationen zu HRQoL, zeigte aber keinen wesentlichen Unterschied zwischen den Interventionen.

In sieben Studien wurde Metformin mit Sulfonylharnstoffen verglichen. Vier Studien berichteten über die Gesamtmortalität: In drei Studien starb kein Teilnehmer und in der verbleibenden Studie starben 31/1454 Teilnehmer (2,1 %) aus der Metformin-Gruppe im Vergleich zu 31/1441 Teilnehmern (2,2 %) aus der Sulfonylharnstoff-Gruppe (sehr niedrige Vertrauenswürdigkeit der Evidenz). In drei Studien wurde über SAE berichtet: In zwei Studien trat kein SAE auf (186 Teilnehmer); in der verbleibenden Studie trat bei 331/1454 Teilnehmern (22,8 %) in der Metformin-Gruppe ein SAE auf, im Vergleich zu bei 308/1441 Teilnehmern (21,4 %) in der Sulfonylharnstoff-Gruppe (sehr niedrige Vertrauenswürdigkeit der Evidenz). In zwei Studien wurde über CVM berichtet: In einer Studie wurde keine CVM beobachtet und in der anderen Studie starben 4/1441 Teilnehmer (0,3 %) in der Metformin-Gruppe aufgrund von kardiovaskulären Ursachen im Vergleich zu 8/1447 Teilnehmern (0,6 %) in der Sulfonylharnstoff-Gruppe (sehr niedrige Vertrauenswürdigkeit der Evidenz). Drei Studien berichteten über NFMI: In zwei Studien trat kein NFMI auf, und in der anderen Studie erlitten 21/1454 Teilnehmer (1,4 %) in der Metformin-Gruppe einen NFMI im Vergleich zu 15/1441 Teilnehmern (1,0 %) in der Sulfonylharnstoff-Gruppe (sehr niedrige Vertrauenswürdigkeit der Evidenz). In einer Studie wurde berichtet, dass kein NFS auftrat (sehr niedrige Vertrauenswürdigkeit der Evidenz). In keiner Studie wurde über HRQoL oder ESRD berichtet.

Sieben Studien verglichen Metformin mit Glitazonen (sehr niedrige Vertrauenswürdigkeit der Evidenz für alle Endpunkte). In fünf Studien wurde die Gesamtmortalität berichtet: In zwei Studien starb kein Teilnehmer; das RR betrug insgesamt 0,88, 95 % KI 0,55 bis 1,39; P = 0,57; 5 Studien; 4402 Teilnehmer. Vier Studien berichteten über SAE, das RR betrug 0,95, 95 % KI 0,84 bis 1,09; P = 0,49; 3208 Teilnehmer. In vier Studien wurde über CVM berichtet, das RR betrug 0,71, 95 % KI 0,21 bis 2,39; P = 0,58; 3211 Teilnehmer. Drei Studien berichteten über NFMI: In zwei Studien trat kein NFMI auf, und in einer Studie bekamen 21/1454 Teilnehmer (1,4 %) in der Metformin-Gruppe einen NFMI im Vergleich zu 25/1456 Teilnehmern (1,7 %) in der Glitazon-Gruppe. Eine Studie berichtete, dass kein NFS auftrat. In keiner Studie wurde über HRQoL oder ESRD berichtet.

In drei Studien wurde Metformin mit Dipeptidylpeptidase-4-Inhibitoren verglichen (je eine Studie mit Saxagliptin, Sitagliptin, Vildagliptin mit insgesamt 1977 Teilnehmern). Es gab keinen wesentlichen Unterschied zwischen den Interventionen in Bezug auf Gesamtmortalität, SAE, CVM, NFMI und NFS (sehr niedrige Vertrauenswürdigkeit der Evidenz für alle Endpunkte).

In einer Studie wurde Metformin mit einem Glucagon-like Peptide-1 Analogon verglichen (sehr niedrige Vertrauenswürdigkeit der Evidenz für alle berichteten Endpunkte). Es gab keinen wesentlichen Unterschied zwischen den Interventionen in Bezug auf Gesamtmortalität, CVM, NFMI und NFS. Auftreten eines oder mehrerer SAEs wurde bei 16/268 (6,0 %) der Teilnehmer in der Metformin-Gruppe beobachtet, verglichen mit 35/539 (6,5 %) der Teilnehmer, die einem Glucagon-like Peptide-1 Analogon zugeteilt waren. Über HRQoL oder ESRD wurde nicht berichtet.

Eine Studie verglich Metformin mit einem Glinid und zwei Studien verglichen Metformin mit keiner Intervention. Es traten keine Todesfälle oder SAEs auf (sehr niedrige Vertrauenswürdigkeit der Evidenz) und
es wurden keine weiteren patientenrelevanten Endpunkte berichtet.

Keine Studie verglich Metformin mit Placebo oder verhaltensverändernden Interventionen.

Vier noch laufende Studien mit 5824 Teilnehmern werden wahrscheinlich über einen oder mehrere Endpunkte berichten, an denen besonders Interesse besteht, und voraussichtlich zwischen 2018 und 2024 abgeschlossen sein. Darüber hinaus steht für 24 Studien mit 2369 Teilnehmern noch eine Beurteilung aus.

Anmerkungen zur Übersetzung: 

M. Davia, freigegeben durch Cochrane Deutschland.

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