Interventionen zur Reduktion neuromuskulärer Komplikationen, die während der Akutphase einer kritischen Erkrankung entstehen

Fragestellung des Reviews

Wir überprüften die Evidenz zu der Wirkung von Behandlungen zur Vorbeugung oder Verminderung von Komplikationen, die die Nerven oder Muskeln während der schweren, frühen Phase einer kritischen Erkrankung betreffen. Diese Komplikationen werden als Critical-Illness-Polyneuropathie oder -Myopathie (CIP/CIM) bezeichnet und können Nerven, Muskeln oder beides betreffen.

Hintergrund

CIP/CIM ist eine häufige Komplikation in der Intensivpflege. CIP/CIM verursacht eine Schwäche der Gliedmaßen und der Atemmuskulatur. Es wird schwieriger, ein Beatmungsgerät nicht mehr zu benötigen und mit der Rehabilitation zu beginnen. CIP/CIM kann auch einen längeren Aufenthalt auf der Intensivstation bedeuten und das Sterberisiko erhöhen. Die Genesung kann mehrere Wochen oder Monate dauern und in schweren Fällen unvollständig sein oder fehlen. Die Vorbeugung und Behandlung von CIP/CIM ist daher sehr wichtig.

Studienmerkmale

Wir suchten nach allen randomisierten kontrollierten Studien (RCTs), die die Wirkung einer Behandlung zur Vorbeugung von CIP/CIM bei Erwachsenen auf einer Intensivstation untersuchten. Wir identifizierten und analysierten fünf Studien, die für die Aufnahme in unseren Review geeignet waren. Diese Studien untersuchten vier Behandlungen: Intensivierte Insulintherapie, Kortikosteroidtherapie, Frührehabilitation und elektrische Muskelstimulation.

Hauptergebnisse und Qualität der Evidenz

Zwei Studien, mit insgesamt 825 Erwachsenen, die mindestens eine Woche auf der Intensivstation lagen, untersuchten die Wirkung einer intensivierten Insulintherapie im Vergleich zur konservativen Insulintherapie auf die Inzidenz von CIP/CIM. Die intensivierte Insulintherapie zielte darauf ab, normale Blutzuckerwerte (80 bis 110 mg/dL) zu erreichen, während die konservative Insulintherapie zum Ziel hatte, hohe Blutzuckerwerte (Blutzucker über 215 mg/dL) zu vermeiden. Die Kombination der Ergebnisse beider Studien zeigte Evidenz von moderater Qualität dafür, dass intensivierte Insulintherapie CIP/CIM reduziert. Es gab Evidenz von hoher Qualität, dass durch sie die Zeit am Beatmungsgerät, die Aufenthaltszeit auf der Intensivstation und die 180-Tage-Mortalität gesenkt werden konnten, nicht aber die 30-Tage-Mortalität. Bei der intensivierten Insulintherapie gab es mehr Episoden von niedrigem Blutzuckerspiegel. Obwohl es innerhalb von 24 Stunden nach Episoden von niedrigem Blutzuckerspiegel keinen Anstieg der Todesfälle gab, gibt ein niedriger Blutzuckerspiegel weiterhin Anlass zur Sorge, da er das Gehirn schädigen kann. Keine der Studien berichtete über den Grad der Gliederschwäche oder über die körperliche Rehabilitation. Die Ergebnisse kamen von einer Subgruppe von Personen, die lange Zeit auf der Intensivstation waren. Dies könnte die Schlussfolgerungen ebenfalls einschränken.

Die dritte Studie verglich Kortikosteroidtherapie mit einem Placebo bei 180 Personen mit akutem Atemnotsyndrom (acute respiratory distress syndrome, ARDS). Evidenz von moderater Qualität deutete darauf hin, dass Kortikosteroide keinen Einfluss auf CIP/CIM haben (bei 92 ausgewerteten Teilnehmern). Evidenz von hoher Qualität zeigte keine Auswirkungen auf die 180-Tage-Mortalität, neue schwere Infektionen, den Blutzuckerspiegel nach sieben Tagen oder Episoden von vermuteter oder wahrscheinlicher Lungenentzündung. Es gab weniger Schockepisoden (ein lebensbedrohlicher Zustand, bei dem ein Durchblutungsmangel zu den lebenswichtigen Organen besteht).

Die vierte Studie untersuchte Frührehabilitation bei 104 Teilnehmern auf einer medizinischen Intensivstation. Es gab Evidenz von moderater Qualität für eine Verminderung von CIP/CIM bei den 82 Teilnehmern, die auf der Intensivstation ausgewertet werden konnten. Diese Wirkung war nicht signifikant, als eine Imputation für eine Intention-to-treat-Analyse durchgeführt wurde. Frührehabilitation senkte die Dauer der maschinellen Beatmung, hatte aber keine Auswirkung auf den Aufenthalt auf der Intensivstation oder die Todesfälle. Die Studie berichtete von keinen schwerwiegenden unerwünschten Ereignissen.

In der letzten Studie wurde die Wirkung von elektronischer Muskelstimulation (EMS) mit keiner Stimulation verglichen. Die Studie umfasste 140 Teilnehmer, lieferte aber nur Ergebnisse für 52 von ihnen. Sie lieferte Evidenz von sehr niedriger Qualität dafür, dass EMS keine Auswirkung auf die Vorbeugung von CIP/CIM hatte. Es gab keine Auswirkungen auf die Dauer der maschinellen Beatmung oder Todesfälle. Da sich die EMS- und Kontrollgruppen in der Art und der Schwere der Erkrankung unterschieden, sind diese Ergebnisse möglicherweise nicht zuverlässig. Die Ergebnisse waren sogar noch weniger signifikant, als eine Imputation für eine Intention-to-treat-Analyse durchgeführt wurde. Die Studie fand keine Auswirkung von EMS auf die Dauer der maschinellen Beatmung und die Zahl der Todesfälle.

Die Evidenz ist auf dem Stand von Oktober 2011. Wir führten die Suche nach Studien im Dezember 2013 erneut durch und identifizierten neun weitere potentiell in Frage kommende Studien, die wir in der nächsten Aktualisierung des Reviews beurteilen werden.

Anmerkungen zur Übersetzung: 

M. Davia, freigegeben durch Cochrane Deutschland

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