Kernaussagen
1. Die Auswirkungen einer weniger intensiven Blutdrucksenkung auf die Gesamtmortalität sind bislang noch nicht eindeutig geklärt. Der absolute Unterschied in den Risiken ist gering, und es bleibt ungewiss, ob diese Ergebnisse bei sehr alten oder gebrechlichen Menschen anders ausfallen könnten.
2. Bei den meisten älteren Menschen führt eine Lockerung der Blutdruckziele im Alter (d. h. höhere Blutdruckzielwerte als bei jüngeren Menschen) zu einem erhöhten Risiko für Schlaganfälle sowie wahrscheinlich auch für andere schwere Herzkreislauf-Ereignisse wie Herzinfarkt, Herzschwäche, Nierenschäden und herzbedingten Tod.
3. Eine Lockerung der Blutdruckziele führt wahrscheinlich nicht dazu, dass weniger Teilnehmende die Studie wegen unerwünschter Medikamentenwirkungen vorzeitig abbrechen.
4. Wir benötigen zusätzliche Studien, die den Gesamtnutzen und potenziellen Schaden niedrigerer Blutdruckziele bei gebrechlichen oder hochbetagten Menschen weiter untersuchen.
Was ist Bluthochdruck?
Wenn der Druck des Blutes in unseren Arterien steigt, erhöht sich das Risiko von Schlaganfall, Herzinfarkt, Herzschwäche, Nierenschäden und Tod. Auf Dauer sind die Risiken eines erhöhten Blutdrucks so hoch, dass sie die potenziellen Risiken einer Behandlung überwiegen. In diesem Fall spricht man von "Bluthochdruck" oder Hypertonie.
Wie wird Bluthochdruck behandelt?
Eine Gewichtsabnahme, die Reduzierung des Salzkonsums, körperliche Betätigung und eine mediterrane Ernährung können den Blutdruck senken. Zusätzlich benötigen viele Menschen blutdrucksenkende Medikamente. Die aktuellen klinischen Leitlinien unterscheiden sich hinsichtlich der anzustrebenden Blutdruckzielwerte für ältere Erwachsene. Die Zielwerte reichen von weniger als 130/80 bis zu weniger als 150/90.
Für Menschen im Alter von 80 Jahren oder älter wird in mindestens einer Leitlinie empfohlen, den Blutdruck erst ab 160 mmHg zu behandeln.
Was wollten wir herausfinden?
Einige Ärztinnen und Ärzte sind der Ansicht, dass ältere Erwachsene ein größeres Risiko für unerwünschte Wirkungen von Blutdruckmedikamenten haben, und daher bei ihnen eine intensive Blutdrucksenkung auch Nachteile haben kann.
Wir wollten herausfinden, ob höhere Blutdruckzielwerte bei älteren Erwachsenen das Risiko für Folgeerkrankungen ebenso gut senkt und dabei sicherer ist als die üblichen niedrigeren Blutdruckzielwert, die für die Allgemeinbevölkerung gelten.
Wie gingen wir vor?
Wir suchten nach Studien, die die Wirkungen eines höheren Blutdruckziels (weniger als 150 bis 160 mmHg) mit einem niedrigeren Blutdruckziel (weniger als 140 mmHg) bei Menschen über 65 Jahren verglichen. Wir suchten nach Studien, die über die Zahl der Todesfälle oder über Ereignisse aufgrund von Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Herzinfarkt, Schlaganfall oder Herzschwäche berichten. Wir wollten auch andere gesundheitsbezogene unerwünschte Wirkungen untersuchen.
Wir wählten nur randomisierte Studien aus (ein Studientyp, bei dem die Teilnehmenden nach dem Zufallsprinzip einer von zwei oder mehr Behandlungsgruppen zugeteilt werden), die mindestens 12 Monate dauerten.
Was fanden wir?
Für diese Aktualisierung haben wir eine neue Studie gefunden. Inzwischen gibt es vier Studien zu dieser Fragestellung mit insgesamt 16.732 älteren Erwachsenen.
Unsere Ergebnisse zeigen, dass es möglicherweise nur einen minimalen oder gar keinen Unterschied in der Gesamtzahl der Todesfälle zwischen Personen mit höheren oder niedrigeren Blutdruckzielen gibt, die zwei bis vier Jahre lang beobachtet wurden.
Wir stellten fest, dass niedrigere Blutdruckzielwerte das Schlaganfallrisiko besser senken als höhere Blutdruckzielwerte. Wahrscheinlich verringern niedrigere Blutdruckzielwerte auch insgesamt schwerwiegende Herz-Kreislauf- Ereignisse (wie Herzinfarkt, Herzschwäche) und den Tod aufgrund von Herzproblemen effektiver. Niedrigere Blutdruckzielwerte verhindern wahrscheinlich 10 schwerwiegende Herz-Kreislauf-Ereignisse pro 1000 behandelte Personen mehr als höhere Blutdruckzielwerte über einen Zeitraum von etwa drei Jahren.
Das Anstreben eines höheren Blutdruckziels beeinflusst wahrscheinlich nicht oder allenfalls geringfügig wie viele Personen die Studie wegen Nebenwirkungen der Medikamente abbrechen.
Was schränkt die Evidenz ein?
Mehrere Faktoren verringern unser Vertrauen in die Evidenz.
1. Die Studienteilnehmenden und ihre Behandelnden wussten, zu welcher Blutdruckzielgruppe sie gehörten. Dies könnte das Verhalten oder die Art und Weise, wie sie über ihre Erfahrungen berichten, beeinflussen.
2. Nicht alle Studien lieferten Daten zu allen Aspekten, die uns interessierten, einschließlich der unerwünschten Wirkungen.
3. Die Evidenz konzentrierte sich zwar auf ältere Erwachsene, aber drei der vier Studien schlossen Personen ab 80 bzw. 85 Jahren aus. Daher wissen wir nicht, welche Wirkungen niedrigere Blutdruckziele für sehr alte oder gebrechliche Menschen haben.
Wie aktuell ist die Evidenz?
Die Evidenz ist auf dem Stand von Juni 2024.
B. Schindler, M. Zeitler, freigegeben durch Cochrane Deutschland