Fragestellung des Reviews
Hat ein Atemmuskeltraining positive Auswirkungen für Kinder und Erwachsene mit neuromuskulären Erkrankungen?
Hintergrund
„Neuromuskuläre Erkrankung“ ist ein sehr weit gefasster Begriff, der viele Erkrankungen umfasst, die entweder direkt oder indirekt Muskeln oder Nerven betreffen. Kinder und Erwachsene mit neuromuskulären Erkrankungen können Muskelschwäche, Verlust der Bewegungskontrolle und Muskelschwund aufweisen. Einige neuromuskuläre Erkrankungen verursachen eine Schwäche der Atemmuskulatur (des Zwerchfells und weiterer Atemmuskeln). Die Verminderung der Atemmuskelfunktion bei diesen Erkrankungen beeinträchtigt Aktivitäten des täglichen Lebens und die Lebensqualität. Ein Atemmuskeltraining könnte möglicherweise als zusätzliche Therapie für Menschen mit vermuteter oder bestätigter Atemmuskelschwäche in Betracht gezogen werden.
Studienmerkmale
Dieser Review umfasst 11 Studien mit insgesamt 250 randomisierten (den Gruppen per Zufallsverfahren zugeteilten) Teilnehmern mit neuromuskulären Erkrankungen. Sechs Studien schlossen 112 junge männliche Teilnehmer (einschließlich Kindern) mit Duchenne-Muskeldystrophie ein, einer erblichen Muskelkrankheit. An einer Studie nahmen 23 Erwachsene mit anderen Muskelkrankheiten teil (Becker-Muskeldystrophie und Gliedergürtel-Muskeldystrophie). An drei Studien nahmen 88 Personen mit amyotropher Lateralsklerose teil, einer fortschreitenden Erkrankung, die die für die Bewegungskontrolle verantwortlichen Nerven beeinträchtigt. An einer Studie nahmen 27 Personen mit Myasthenia gravis teil, einer Erkrankung, die die Signale zwischen Nerven und Muskeln beeinträchtigt.
Hauptergebnisse
Die Studien zeigten, dass ein Training der Atemmuskulatur bei Menschen mit amyotropher Lateralsklerose und Duchenne-Muskeldystrophie zu einer gewissen Verbesserung der Lungenfunktion führen kann. Die Studien kamen jedoch nicht einheitlich zu diesem Ergebnis. Die körperliche Funktionsfähigkeit und die Lebensqualität wurden nur in einer Studie zur amyotrophen Lateralsklerose untersucht, deren Ergebnisse darauf hinwiesen, dass ein Atemmuskeltraining möglicherweise keine eindeutige Wirkung hat. In einer Studie wurde über unerwünschte Ereignisse berichtet, jedoch war die Vertrauenswürdigkeit der Evidenz zu niedrig, um Schlussfolgerungen ziehen zu können. In den Studien wurde nicht über die Zahl ungeplanter Krankenhausaufenthalte wegen einer plötzlichen Infektion oder Verschlechterung der chronischen Atemschwäche berichtet.
Vertrauenswürdigkeit der Evidenz
Die Vertrauenswürdigkeit der im Rahmen dieses Reviews begutachteten Evidenz war niedrig oder sehr niedrig. Evidenz von niedriger Vertrauenswürdigkeit bedeutet, dass unser Vertrauen in die Wirkung des Atemmuskeltrainings begrenzt ist, und dass die tatsächliche Wirkung wesentlich anders sein kann. Wenn die Evidenz von sehr niedriger Vertrauenswürdigkeit ist, ist die tatsächliche Wirkung wahrscheinlich wesentlich anders. Angesichts der niedrigen oder sehr niedrigen Vertrauenswürdigkeit der in den Studien präsentierten Evidenz sind wir der Ansicht, dass es weiterer methodisch guter Studien bedarf, um die Wirksamkeit eines Atemmuskeltrainings bei Menschen mit neuromuskulären Erkrankungen zu ermitteln.
Die Evidenz ist auf dem Stand von November 2018.
C. Braun, T. Bossmann, Koordination durch Cochrane Deutschland