Fragestellung
Wir bewerteten die Evidenz dazu, inwiefern die Gabe von Wirkstoffen, die eine Thrombozytentransfusion ersetzen oder reduzieren können (künstliche Thrombozyten, thromboyztenarmes Plasma, Fibrinogenkonzentrat, rekombinanter, aktivierter Faktor VII (rFVIIa), rekombinanter Faktor XIII (rFXIII), rekombinantes Interleukin (rIL)6 oder rIL11, Desmopressin (DDAVP), Thrombopoietin (TPO) -Mimetika oder Antifibrinolytika), bei Personen mit einer niedrigen Thrombozytenzahl eine Blutung vorbeugen, und inwiefern diese alternativen Wirkstoffe mit Nebenwirkungen verbunden sind. Unsere Zielpopulation waren Personen mit Knochenmarkserkrankungen, die sie daran hindern, ausreichend Thrombozyten zu produzieren. Wir schlossen Personen aus, die eine intensive Chemotherapie durchliefen, oder bei denen eine Stammzellentransplantation vorgenommen wurde.
Hintergrund
Personen mit niedrigen Thrombozytenzahlen aufgrund von Knochenmarkserkrankungen sind anfällig für Blutungsereignisse, die ernst oder sogar lebensbedrohlich sein können. Zur Behandlung oder Prävention einer Blutung erhalten sie häufig Thrombozytentransfusionen. Solche Thrombozytentransfusionen sind allerdings mit Risiken, wie Infektionen und Transfusionsreaktionen, verbunden. Daher besteht ein Interesse daran, zu klären, inwiefern alternative Behandlungen angewendet werden können, um Blutungen vorzubeugen. Zu diesen Behandlungen zählen: künstliche Thrombozyten; Stimulation des Körpers der Person, damit dieser mehr Thrombozyten produziert (rekombinantes Interleukin (rIL)6, rIL11, TPO-Mimetika); Steigerung der Proteinkonzentration im Blut, um den Körper dabei zu unterstützen, einen Thrombus zu bilden (thrombozytenarmes Plasma, Fibrinogenkonzentrat, rekombinanter aktivierter Faktor VII (rFVIIa), rekombinanter Faktor XIII (rFXIII)); und ein Blutgerinnsel daran zu hindern, sich zu spalten (Antifibrinolytika). Mit diesen Wirkstoffen, die einer Blutung vorbeugen, können Risiken verbunden sein. Das bedeutendste Risiko hierbei ist ein höheres Risiko der Bildung unerwünschter Blutgerinnsel, die potenziell lebensbedrohlich sein könnten.
Studienmerkmale
Die Evidenz ist auf dem Stand von April 2016. Wir identifizierten 11 randomisierte kontrollierte Studien, von denen sieben abgeschlossen waren. Von den sieben abgeschlossenen Studien untersuchten fünf Studien (456 Teilnehmer) TPO-Mimetika, eine Studie (acht Teilnehmer) Tranexamsäure und eine Studie (acht Teilnehmer) DDAVP. Die Studie zu DDAVP untersuchte lediglich die Blutungsdauer: die Zeit, bis die Blutung nach einem kleinen Schnitt im Unterarm des Teilnehmers stoppte. Sie untersuchte keinen, der für den vorliegenden Review interessanten Endpunkte. Die Studie zu Tranexamsäure wies signifikante methodische Schwachstellen bzgl. der Art und Weise auf, wie Blutungen berichtet wurden. Es wurden keine randomisierten Studien zu künstlichen Thrombozytenersatzstoffen, thrombozytenarmem Plasma, Fibrinogenkonzentrat, rFVIIa, rFXIII, rIL6 oder rIL11 identifiziert. Daher wurde eine quantitative Analyse nur zu den fünf Studien durchgeführt, die TPO-Mimetika untersuchten. Vier dieser Studien schlossen Erwachsene mit myelodysplastischem Syndrom (MDS) ein. Eine Studie untersuchte Erwachsene mit MDS oder akuter myeloischer Leukämie (AML). Wir stuften alle fünf Studien zu TPO-Mimetika, die im vorliegenden Review eingeschlossen sind, mit hohem Risiko ein, da die Hersteller der TPO-Mimetika direkt am Studiendesign und der Veröffentlichung der Studien beteiligt waren.
Unterschiede zwischen den Studien hinsichtlich des Schweregrads der Erkrankung und der Anzahl der Teilnehmer, die eine Chemotherapie durchliefen, bedeuteten, dass eine Netzwerk-Meta-Analyse nicht durchgeführt werden konnte. Netzwerk-Meta-Analysen erfordern, dass die Teilnehmer jeder Studie die Eignungskriterien für jede Studie erfüllen, die eingeschlossen wird.
Die vier noch laufenden Studien vergleichen allesamt TPO-Mimetika mit Placebo. Es wird davon ausgegangen, dass sie insgesamt 837 Teilnehmer rekrutieren, und bis Dezember 2020 abgeschlossen werden.
Hauptergebnisse
TPO-Mimetika machen wahrscheinlich nur einen geringen oder keinen Unterschied bei der Anzahl der Teilnehmer mit jeglichen Blutungsereignissen oder mit schweren/lebensbedrohlichen Blutungen. Wir sind uns sehr unsicher, ob TPO-Mimetika das Sterberisiko senken. TPO-Mimetika reduzieren wahrscheinlich die Anzahl der Teilnehmer, die eine Thrombozytentransfusion benötigen. Wir sind uns sehr unsicher, ob TPO-Mimetika das Risiko für Transfusionsreaktionen oder für Thromboembolien vermindern. TPO-Mimetika haben wahrscheinlich nur eine geringe oder gar keine Wirkung auf das Risiko für Arzneimittelreaktionen.
Keine Studie berichtete die Anzahl der Blutungstage pro Teilnehmer, die Thrombozytentransfusionsepisoden, die durchschnittliche Anzahl von Transfusionen von roten Blutkörperchen pro Teilnehmer, die Anzahl der Episoden von Transfusionen von roten Blutkörperchen, die durch Transfusionen übertragenen Infektionen, die Bildung von Thrombozytenantikörpern oder die Refraktärität auf Thrombozytenkonzentrate.
Qualität der Evidenz
Die Qualität der Evidenz war für sämtliche Endpunkte niedrig bis sehr niedrig, mit Ausnahme des Endpunkts zu der Anzahl der Teilnehmer, die eine Thrombozytentransfusion erhielten - hier war die Evidenz von moderater Qualität.
B. Fiess, freigegeben durch Cochrane Deutschland