Blut- und Urintests sowie Leberbiopsien zur Diagnose von Morbus Wilson bei Kindern und Erwachsenen

Warum ist eine bessere Diagnose für die Wilson-Krankheit wichtig?

Morbus Wilson ist eine Erbkrankheit, die zu einer erhöhten Kupferansammlung in betroffenen Körperbereichen führt. Für gewöhnlich tritt diese Krankheit bereits im Kindes- oder Jugendalter auf, allerdings wurde sie auch schon bei Erwachsenen über 60 Jahren diagnostiziert. Die Kupferansammlung beginnt zunächst in der Leber und breitet sich mit der Zeit bis zum Gehirn aus. Die Herausforderung für Ärzte besteht darin, dass Lebererkrankungen bei Morbus Wilson keine spezifischen Merkmale aufweisen und die Leberwerte im Blut bei Standardtests, selbst bei einer bereits fortgeschrittenen Vernarbung oder einer Leberzirrhose, normal ausfallen können. Eine frühzeitige Diagnose ermöglicht eine frühzeitige Behandlung, allerdings können auch anderer Ursachen für chronische Lebererkrankungen zu falsch-positiven Ergebnissen führen (abhängig von den verwendeten Grenzwerten) und unnötige Folgeuntersuchungen nach sich ziehen. Umgekehrt kann es auch zu falsch-negativen Ergebnissen kommen, wenn die Diagnose nur über einen Einzeltest erfolgt, was wiederum zu einer Verzögerung bei der Behandlung führen kann.

Was ist das Ziel dieses Reviews und was wurde berücksichtigt?

Ziel war es, die Genauigkeit der folgenden drei gängigen diagnostischen Testverfahren zur korrekten Feststellung von Morbus Wilson zu untersuchen: Caeruloplasmin (ein Protein, das Kupfer im Blut transportiert), der Kupfergehalt im Urin und der Kupfergehalt in der Leber. Für gewöhnlich werden bei der Erstuntersuchung die Augen auf Anzeichen für Morbus Wilson überprüft sowie eine Blutuntersuchung auf Caeruloplasmin durchgeführt, da dies der verbreitetste biochemische Test für Morbus Wilson ist. Allerdings gibt es sehr unterschiedliche Vorgehensweisen bei der Diagnose von Morbus Wilson. Folgeuntersuchungen hängen von den Ergebnissen der Erstuntersuchung und der Verfügbarkeit der entsprechenden Testressourcen ab sowie von der Wahrscheinlichkeit, dass der behandelnde Arzt Morbus Wilson bei der betroffenen Person vermutet.

Was sind die Hauptergebnisse dieses Reviews?

Es wurden acht Studien mit insgesamt 5.699 Teilnehmern gefunden, in denen 1.009 Teilnehmer eine Diagnose für Morbus Wilson hatten. In einer Studie wurden alle drei biochemischen Testverfahren bewertet. In drei Studien wurde Caeruloplasmin bewertet; in einer weiteren der Kupfergehalt im Urin über eine Dauer von 24 Stunden und in zwei der Kupfergehalt in der Leber. In einer weiteren Studie wurde der Kupfergehalt sowohl im Urin als auch in der Leber bewertet.

Vier Studien schlossen sowohl Erwachsene als auch Kinder ein, drei Studien Kinder und Jugendliche und eine Studie lediglich Erwachsene. Auch das klinische Erscheinungsbild variierte: In sechs Studien wurden Patienten mit sowohl neurologischen als auch leberspezifischen Symptomen von Morbus Wilson untersucht sowie Menschen, die noch keine Symptome zeigten. In zwei Studien wurden nur Patienten mit leberspezifischen Symptomen untersucht.

Die Wahrscheinlichkeit der drei untersuchten Testverfahren, Menschen mit Morbus Wilson zu erkennen (Sensitivität genannt), war sehr unterschiedlich (zwischen 50% und 94,4%). Die Wahrscheinlichkeit, Menschen ohne Morbus Wilson zu erkennen (Spezifizität genannt), war ebenfalls sehr unterschiedlich (zwischen 52,2% und 98,3%). Mit keinem dieser Tests allein konnte Morbus Wilson diagnostiziert werden. Zudem lag keine ausreichende Evidenz vor, um die Genauigkeit der Tests innerhalb verschiedener Altersgruppen oder Morbus-Wilson-Subgruppen (z. B. jene Personen mit leberspezifischen oder neurologischen Symptomen) zu bestimmen.

Wie verlässlich sind die Studienergebnisse in diesem Review?

Da es keinen Goldstandard für die Diagnose von Morbus Wilson gibt, wurde für diesen Review ein klinischer und laborchemischer Standard ausgewählt (der Leipzig-Score), um eine Diagnose dieser Erkrankung festzulegen. Die Ergebnisse dieses Reviews legen nahe, dass ein Teil der Schwankungen bei der Testsensitivität und -spezifität bezüglich der Grenzwerte des Leipzig-Scores vermutlich von der Art der Untersuchungsmethode beeinflusst wird. Es gab allerdings einige Probleme im Hinblick auf die Studiendurchführung. Dies kann dazu führen, dass die Caeruloplasmin-, Urin- oder Leberwerte genauer auszufallen scheinen, als sie tatsächlich sind, was wiederum eine höhere Anzahl positiver Testergebnisse zur Folge hat (Sensitivität).

Was sind die Schlussfolgerungen dieses Reviews?

Nur eine eingeschränkte Evidenz aus den eingeschlossenen Studien unterstützt die Anwendung von mehrfachen Testverfahren, wie er im Leipzig-Score beschrieben wird. Die Diagnoseschwellenwerte im Leipzig-Score variieren je nach Labortest, Laboruntersuchungsmethode und Teilnehmer der einzelnen Studien, die sich hinsichtlich Alter, ethnischer Zugehörigkeit und Krankheitsbild unterschieden. Diese Faktoren sollten deshalb bei der Interpretation der Ergebnisse berücksichtigt werden. Für bestimmte Grenzwerte ist eine hohe Sensitivität (Richtig-Positiv-Rate) bei jedem Labortests möglich. Werden diese Verfahren allerdings einzeln angewendet, kann es bei allen zu falsch-positiven oder falsch-negativen Ergebnissen kommen. Einschränkungen bezüglich des Studienaufbaus können die Testgenauigkeit überbewerten.

Wie aktuell ist dieser Review?

Für diesen Review wurden Studien gesucht und verwendet, die bis einschließlich 29. Mai 2019 veröffentlicht wurden.

Anmerkungen zur Übersetzung: 

Universität Heidelberg, freigegeben durch Cochrane Deutschland

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