Verabreichung von Schmerzmitteln wie Ibuprofen vor oder nach dem ersten Schnitt bei allen Arten von Operationen an Erwachsenen

Wir wollten die Wirkung einer Einzeldosis eines nichtsteroidalen Antirheumatikums (NSAID: z. B. Ibuprofen), die vor dem ersten Schnitt bei einer Operation verabreicht wird (vorsorgliche NSAIDs) oder vor dem ersten Schnitt verabreicht und nach der Operation fortgesetzt wird (vorbeugende NSAIDs), auf die Schmerzlinderung bei Erwachsenen untersuchen.

Fragestellung des Reviews
Wir prüften die Evidenz zu schmerzstillenden NSAIDs vor einer Operation im Vergleich zum gleichen Schmerzmittel, dass erst nach dem ersten Schnitt in die Haut an Erwachsene verabreicht wird, die sich jeglicher Form von Operation unterziehen.

Hintergrund
Die meisten Menschen erleben Schmerzen nach einer Operation, die starke opioidhaltige (morphinähnliche) Schmerzmittel erfordern. Diese Medikamente stehen mit einer Reihe an Nebenwirkungen in Verbindung, unter anderem mit verminderter Atmung, langsamer Herzfrequenz und niedrigem Blutdruck sowie Erbrechen, Schläfrigkeit, Juckreiz und Verstopfung. Den Bedarf an Opioiden nach einer Operation zu senken, kann diese Nebenwirkungen begrenzen und die Erfahrung und die Endpunkte des Patienten verbessern. Verglichen damit, mit den Schmerzmitteln später zu beginnen, senkt der erste chirurgische Schnitt möglicherweise die Schmerzempfindlichkeit und lindert damit möglicherweise den erlebten Schmerz. Wir wollten herausfinden, ob die Gabe von NSAID-Schmerzmitteln vor einer Operation wirksamer war als die Gabe des gleichen Schmerzmittels, in der gleichen Dosierung, nach der Operation.

Studienmerkmale
Wir durchsuchten die medizinische Literatur nach randomisierten kontrollierten Studien (eine Studienart, bei der die Teilnehmenden nach dem Zufallsprinzip
einer Behandlungsgruppe zugeteilt werden). Die Evidenz ist auf dem Stand von Juni 2020. Pateinten wurden zufällig in eine von zwei Gruppen eingeteilt. Eine Gruppe wurde mit NSAIDs behandelt, bevor der Chirurg den ersten Schnitt vornahm, während die andere Gruppe das gleiche Medikament erhielt, nachdem der Chirurg mit der Operation begonnen hatte. Wir fanden 71 Studien mit Patienten im Alter von 18 Jahren oder älter, die sich verschiedenen Operationen unterzogen. Fast alle Patienten waren fit und gesund. Die Eingriffe wurden in Krankenhäusern auf der ganzen Welt durchgeführt.

Hauptergebnisse
In 36 Studien (2032 Patienten) führte der Einsatz von vorsorglichen NSAIDs zu einer geringen Senkung der Schmerzen, die in den ersten sechs Stunden nach der Operation auftraten. Keine der Studien schlossen schwerwiegende Nebenwirkungen von NSAIDs (Blutung, Herzinfarkt oder Nierenversagen) als Endpunkt ein. Es bestand kein Unterschied in Übelkeit und Erbrechen nach der Operation. In 28 Studien (1645 Patienten) bestand kein Unterschied in den Schmerzen nach 24 bis 48 Stunden nach der Operation. In 16 Studien (854 Patienten) gab es eine Verringerung der Menge an verwendeten starken Schmerzmitteln nach der Operation und einen Anstieg in der Zeit bis Patienten diese starken Schmerzmittel brauchten. Trotzdem fanden wir keine Verminderung der Nebenwirkungen von diesen starken Schmerzmitteln (Juckreiz oder Schläfrigkeit). Keine der Studien berichtete über die Zufriedenheit der Patienten, Langzeitschmerzen nach der Operation oder der Zeit bis zum ersten Stuhlgang.

Für vorbeugende NSAIDs, 18 Studien (1140 Patienten), bestand kein Unterschied in den Schmerzen, die in den ersten sechs Stunden nach der Operation erlebt wurden. Eine Studie berichtete über Blutungen nach der Operation, die eine weitere Operation erforderten, und fand keinen Unterschied. Allerdings traten diese Ereignisse nicht häufig auf, sodass man bei diesem Ergebnis nicht sicher sein kann. Es gab keinen Unterschied in Übelkeit und Erbrechen. In 21 Studien (1441 Patienten) gab es eine Verminderung der Schmerzen nach 24 bis 48 Stunden nach der Operation und in 16 Studien (1323 Patienten) eine Verringerung der Menge an starken Schmerzmitteln, die nach der Operation eingesetzt wurden. Es bestand kein Unterschied in der Zeit, bis starke Schmerzmittel angefordert wurden. Es gab keinen Unterschied bezüglich Juckreiz, Schläfrigkeit oder Patientenzufriedenheit. Keine der Studien berichtete Langzeitschmerzen. Es gab keinen Unterschied in der Zeit bis zum ersten Stuhlgang.

Vertrauenswürdigkeit der Evidenz
Obwohl wir einige Unterschiede in Schmerzen und der Verwendung von Schmerzmitteln fanden, war die Vertrauenswürdigkeit der Evidenz sehr niedrig bis moderat. Außerdem waren jegliche gefundenen Unterschiede nicht groß genug, um für Patienten bedeutsam zu sein. Dies lag an Unzulänglichkeiten in der Durchführung der Studien, der kleinen Anzahl an Patienten für einige Endpunkte und Unterschiede in den Ergebnissen der Studien. Daher sind wir unsicher, ob die Unterschiede, die wir fanden, echt sind. Weitere Forschungsarbeit wird benötigt.

Anmerkungen zur Übersetzung: 

A. Wenzel, freigegeben durch Cochrane Deutschland

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