Warum ist diese Frage wichtig?
Patient*innen und ihre Angehörigen erwarten zunehmend, aktiv in Behandlungsentscheidungen miteinbezogen zu werden. Es gibt jedoch Bedenken, dass es nicht gut sein könnte, wenn Familienmitglieder dabei sind, wenn jemand wiederbelebt wird. Das könnte bei den Familienmitgliedern zu Symptomen einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTSD) führen und sich auch negativ auf die Arbeit der Gesundheitsfachkräfte auswirken, wodurch die Qualität der Intensivbehandlung sich verschlechtern könnte. Es gibt auch Bedenken, dass die Privatsphäre der Patient*innen gefährdet sein könnte, weil die Gedanken und Wünsche der Patient*innen in dieser Situation nicht ausgesprochen werden können. Die Bedürfnisse aller beteiligten Personen müssen in einem ausgewogenen Verhältnis zueinander stehen, da sich Patient*innen, Angehörige und Personen, die in Gesundheitsberufen arbeiten, hier in einer Dreiecksbeziehung befinden und sich gegenseitig beeinflussen können.
Was wollten wir herausfinden?
Wir wollten die vorhandene Evidenz zu den Auswirkungen der Anwesenheit von Familienangehörigen während einer Wiederbelebung (einschließlich Herzstillstand, Verletzungen und andere akutmedizinische Behandlungen) untersuchen.
Das primäre Ziel dieses Reviews war es herauszufinden, wie das Auftreten von PTSD-bezogenen Symptomen bei Angehörigen dadurch beeinflusst wird, dass sie bei einem Herzstillstand, einer Verletzung oder einer anderen akutmedizinischen Behandlung eines Familienmitglieds anwesend sind.
Das sekundäre Ziel bestand darin zu untersuchen, wie sich die Anwesenheit von Familienangehörigen während einer Wiederbelebung auf das Auftreten von Depressionen, Angst und Trauer bei den Angehörigen auswirkt und welche Wirkung die Anwesenheit auf die Dauer der medizinischen Behandlung, die Belastung der Gesundheitsfachkräfte, die Qualität der medizinischen Versorgung und die Überlebenschancen der Patient*innen hat.
Wie gingen wir vor?
Wir durchsuchten am 22. März 2022 medizinische Datenbanken ohne Sprachbeschränkung. Wir überprüften die Referenzen und kontaktierten die Autor*innen der Studien, um weitere Studien zu identifizieren. Wir schlossen randomisiert kontrollierte Studien (eine Studienart, bei der die Teilnehmenden nach dem Zufallsprinzip einer von zwei oder mehr Behandlungsgruppen zugewiesen werden) mit Erwachsenen ein, die bei der Wiederbelebung eines Familienmitglieds anwesend waren.
Was wir herausfanden
Wir schlossen 2 Studien (3 Artikel) mit insgesamt 595 Teilnehmenden im Alter zwischen 19 und 78 Jahren ein. Eine in Frankreich durchgeführte Studie, an der 15 Rettungsdienste beteiligt waren, untersuchte die Anwesenheit von Familienangehörigen während einer Wiederbelebung bei Patient*innen mit Herzstillstand. Diese Studie beinhaltete eine Auswertung nach einem Jahr, die wir in unseren Review einbezogen. Bei der anderen eingeschlossenen Studie handelte es sich um eine kleine Pilotstudie zur Anwesenheit von Familienangehörigen während einer Wiederbelebung bei Patient*innen mit Herzstillstand oder Verletzungen, die in einer Notaufnahme im Vereinigten Königreich durchgeführt wurde.
Hauptergebnisse
Die Evidenz reicht nicht aus, um eindeutige Schlussfolgerungen über die Wirkung der Anwesenheit von Familienangehörigen während einer Wiederbelebung auf die untersuchten Outcomes zu ziehen. Insgesamt zeigten die Studienergebnisse, dass die Anwesenheit von Familienangehörigen während einer Wiederbelebung Angstgefühle, Depression, PTSD sowie Trauer minderte; da jedoch nur sehr wenige Studien vorliegen und ein hohes Risiko für Bias besteht, ist diese Wirkung sehr unsicher. In einer der eingeschlossenen Studien wurde auch die Dauer der Wiederbelebungsmaßnahmen und die persönliche Belastung der Gesundheitsfachkräfte während der Wiederbelebung gemessen, wobei kein Unterschied zwischen den Studiengruppen festgestellt wurde.
Wie zuverlässig sind die Ergebnisse?
Wir stufen die Vertrauenswürdigkeit der Evidenz als sehr niedrig ein. Die Evidenz ist zu dürftig, um eindeutige Schlussfolgerungen zur Wirkung der Anwesenheit von Familienangehörigen während einer Wiederbelebung auf die psychischen Folgen für die Angehörigen oder auf andere untersuchte Outcomes zu ziehen.
D. Schoberer, B. Schindler, freigegeben durch Cochrane Deutschland