Gentherapie für Menschen mit Leberzellkarzinom

Welchen Nutzen und welche Risiken hat eine Gentherapie (das Ersetzen abnormaler oder defekter Gene durch normale Gene) für die Behandlung von Menschen mit operablem oder inoperablem (nicht chirurgisch entfernbarem) Leberzellkarzinom?

Kernaussagen

- Wir haben sechs kleine Studien gefunden. Insgesamt gab es Probleme mit dem Design der Studien, der geringen Anzahl von Studien und Teilnehmenden und der Variabilität der Ergebnisse. An den Studien nahmen 364 Personen mit inoperablem Leberzellkarzinom (primärer Leberkrebs) teil. Wir fanden keine Studien mit Patient*innen mit operablem Leberzellkarzinom.

Die Evidenz in fünf Studien war sehr unsicher und in einer Studie unsicher, weshalb wir keine Aussage darüber machen können, ob irgendeine der getesteten Gentherapien alleine oder in Kombination mit anderen Behandlungen eine positive, negative oder wenig bzw. gar keine Wirkung auf die Endpunkte in unserem Review hat.

- Um Nutzen und Schaden einer Gentherapie messen zu können und zu verlässlichen Schlussfolgerungen zu gelangen, brauchen wir gut konzipierte, gut dokumentierte Studien, die sich auf Endpunkte konzentrieren, die für Menschen mit inoperablem Leberzellkarzinom und für Entscheidungsträger wichtig sind, wie Lebensqualität, Tod und Kosten.

Was ist eine Gentherapie?

Eine Gentherapie ist ein Verfahren, bei dem abnormale oder defekte Gene durch normale Gene ersetzt werden.

Was ist ein Leberzellkarzinom?

Das Leberzellkarzinom (auch hepatozelluläres Karzinom) ist eine häufige Form des primären Leberkrebses bei Erwachsenen (d. h. ein Krebs, der in der Leber entsteht). Es tritt am häufigsten bei Menschen mit einer chronischen (über einen längeren Zeitraum andauernden) Infektion mit Hepatitis-B- oder Hepatitis-C-Viren auf.

Wie wird ein Leberzellkarzinom behandelt?

Es gibt viele Behandlungsmöglichkeiten für Menschen mit Leberzellkarzinom, darunter Chemotherapie, Operationen oder Lebertransplantation.

Was wollten wir herausfinden?

Wir wollten herausfinden, ob eine Gentherapie bei Patient*innen mit inoperablem Leberzellkarzinom besser ist als andere Behandlungen.

Wir wollten auch wissen, ob eine Gentherapie die Leberfunktion verbessern kann (d.h. wie gut die Leber das Blut filtert und giftige Substanzen abbaut), und ob sie unerwünschte Wirkungen, einschließlich den Tod, hervorrufen kann. Die Leberfunktion wird durch Bluttests gemessen und hilft dabei, Lebererkrankungen oder -schäden zu diagnostizieren und zu überwachen.

Wie gingen wir vor?

Wir identifizierten randomisierte Studien anhand der in unserem Prüfprotokoll festgelegten Kriterien. Bei einer randomisierten Studie werden die Teilnehmenden zufällig in zwei oder mehr Gruppen eingeteilt, um herauszufinden, welche Behandlung die beste ist. Wir haben die Ergebnisse zusammengefasst und unser Vertrauen in die Evidenz auf der Grundlage von Faktoren wie Studienqualität und -methodik bewertet.

Was fanden wir?

Wir fanden sechs Studien mit 364 Teilnehmenden. Alle hatten ein fortgeschrittenes inoperables Leberzellkarzinom. In keiner Studie wurden die Wirkungen einer Gentherapie bei Patient*innen mit operablem Leberzellkarzinom untersucht. Bei allen sechs Studien gab es Probleme bei dem Studiendesign und der Durchführung. Bei den Behandlungen handelte es sich um Pexastimogene Devacirepvec (Pexa-Vec), Einzel- und Doppeldosen von Adenovirus-Thymidin-Kinase mit Ganciclovir (ADV-TK/GCV), rekombinantes humanes Adenovirus-p53 (rAd-p53) (klassisches Tumorsuppressorgen) mit Hydroxycamptothecin (ein Krebsmedikament), rekombinantes humanes Adenovirus p53/5-Fluorouracil (rAd-p53/5-Fu) und E1B-deletiertes (dl1520) Adenovirus. Die größte Studie umfasste 129 Teilnehmende, die kleinste Studie 10 Teilnehmende. Vier Studien wurden in China, eine in Ägypten und eine in mehreren Ländern durchgeführt. Die Studien dauerten zwischen sechs Monaten und fünf Jahren. Diese Studien wurden von der Industrie, lokalen Gesundheitseinrichtungen, Stiftungen, Forschenden oder Universitäten, an denen die Forschenden tätig waren, finanziert. In den Studien wurde jeweils eine Gentherapie verglichen mit bestmöglicher unterstützender Behandlung, einer Lebertransplantation, der transarteriellen Chemoembolisation (bei der Krebsmedikamente direkt in die Blutgefäße injiziert werden, die zum Tumor führen) oder der perkutanen Injektion von Ethanol (einem Alkohol) durch die Haut direkt in den Tumor.

Für jeden Vergleich gab es nur eine Studie, so dass wir keine Metaanalysen durchführen konnten, d. h. wir konnten nicht die Daten aus allen Studien kombinieren, um ein Ergebnis für eine Schlussfolgerung zu erhalten. Es fehlten auch Daten zu klinisch relevanten Endpunkten.

Es ist unsicher, ob Pexa-Vec plus bestmögliche unterstützende Behandlung möglicherweise im Vergleich zur bestmöglichen unterstützende Behandlung alleine nach 20 Monaten keinen oder nur einen sehr geringen Unterschied im allgemeinen Sterblichkeitsrisiko macht, da die Vertrauenswürdigkeit dieser Ergebnisse sehr niedrig war. Außerdem ist nicht sicher, ob ADV-TK/GCV plus Lebertransplantation im Vergleich zur Lebertransplantation alleine möglicherweise die Gesamtsterblichkeitsrate verringert, da auch hier die Vertrauenswürdigkeit der Ergebnisse als sehr niedrig eingestuft wurden. Die Lebertransplantation allein gegenüber ADV-TK/GCV plus Lebertransplantation verursacht möglicherweise weniger nicht schwerwiegende unerwünschte Wirkungen (geringfügige Reaktionen während der Behandlung wie Fieber, Kopfschmerzen), jedoch ist die Vertrauenswürdigkeit der Ergebnisse wieder sehr gering. Auch ist aufgrund sehr niedriger Vertrauenswürdigkeit der Evidenz unklar, ob eine doppelte Dosis ADV-TK/GCV plus Lebertransplantation im Vergleich zu einer Lebertransplantation alleine möglicherweise zu einer Reduzierung des allgemeinen Sterblichkeitsrisiko nach 5 Jahren führt. Es ist unklar, ob rAd-p53/5-Fu plus transarteriellen Chemoembolisation im Vergleich zur transarteriellen Chemoembolisation alleine keine oder eine nur sehr geringe Wirkung auf das Fortschreiten (Verschlimmern) der Krankheit hat; gleiches gilt für den Vergleich von rAd-p53 plus Hydroxycamptothecin mit Hydroxycamptothecin alleine. Außerdem ist unklar, ob E1B-deletiertes Adenovirus im Vergleich zur perkutanen Ethanolinjektion Auswirkungen auf das Fortschreiten der Krankheit, unerwünschte Wirkungen und die Verbesserung der Leberfunktionstests hat.

Was schränkt die Evidenz ein?

Die Teilnehmenden schienen zu wissen, welche Behandlung sie erhielten. Die Studien wiesen methodische Probleme auf, und vermutlich haben ihre Ergebnisse den tatsächlichen Nutzen und Schaden der Behandlungen übertrieben oder unterschätzt. Unsere Ergebnisse basieren auf einer Studie pro Behandlung, jeweils mit wenigen Daten. Da es an Studien und Daten fehlt, können wir keine eindeutigen Schlussfolgerungen ziehen.

Wie aktuell ist die vorliegende Evidenz?

Die Evidenz ist auf dem Stand von 20. Januar 2023.

Anmerkungen zur Übersetzung: 

M. Zeitler, B. Schindler, freigegeben durch Cochrane Deutschland

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