Kernaussagen
- Die vier besten Red Flags („Rote Flaggen“, Warnzeichen) für Wirbelbrüche bei Menschen mit Kreuzschmerzen waren die Einnahme von Kortikosteroiden („Kortison“; entzündungshemmende Medikamente, die u. a. das Knochengewebe schwächen können), ein höheres Alter (über 70 Jahre), ein vorausgegangenes Trauma (z. B. ein Sturz) sowie Prellungen (Blutergüssen) oder Abschürfungen (Schnitte und Schürfwunden).
- Es bedarf weiterer Studien, um die besten Red Flags bzw. die beste Kombination verschiedener Red Flags für Wirbelbrüche zu ermitteln.
Red Flags als Screening-Verfahren für die Erkennung von Wirbelbrüchen
Red Flags für Wirbelbrüche sind Anzeichen und Symptome, die Ärzt*innen oder Physiotherapeut*innen im Rahmen einer Untersuchung ermitteln, und die darauf hindeuten, dass mit der Wirbelsäule etwas nicht in Ordnung ist. Die Genauigkeit (Treffsicherheit) von Red Flags ist wichtig, da sie bei unzureichender Qualität zu falschen Diagnosen und Behandlungen führen können. Ist eine Screening-Untersuchung nicht genau, kann dies zum einen dazu führen, dass Menschen, die keinen Wirbelbruch haben, unnötige bildgebende Verfahren durchlaufen (z. B. Röntgenuntersuchungen oder eine Magnetresonanztomographie, bei der mit Hilfe von Radiowellen detaillierte Bilder des Körperinneren erzeugt werden). Einige dieser bildgebenden Verfahren sind für die Betroffenen mit einer Strahlenbelastung, zusätzlichen Kosten und zusätzlicher Beunruhigung verbunden. Zum anderen kann das Übersehen eines Wirbelbruchs zu einer Verzögerung der Behandlung und zu Beeinträchtigungen der Lebensqualität führen. Daher ist es notwendig, die genauesten Red Flags zur Erkennung von Wirbelbrüchen zu ermitteln.
Was wollten wir herausfinden?
Wir wollten herausfinden, wie genau die Red Flags, die als Screening-Verfahren zur Erkennung von Wirbelbrüchen genutzt werden, bei Menschen mit Kreuzschmerzen sind. Soweit möglich ermittelten wir die berichteten Ergebnisse der Red Flags getrennt für die verschiedenen Arten von Wirbelbrüchen, wie osteoporotische Wirbelkompressionsbrüche (Brüche aufgrund von Osteoporose), traumatische Wirbelbrüche (Brüche aufgrund eines Unfalls bzw. eine Verletzung z. B. infolge eines Sturzes), Wirbelstressbrüche (Brüche infolge einer kurzfristigen starken Erhöhung der Belastung der Wirbelsäule) oder nicht spezifizierte Wirbelbrüche (Brüche, für die keine spezifische Ursache angegeben wurde).
Wie gingen wir vor?
Dieser Review ist eine Aktualisierung eines früheren Reviews. Wir suchten nach Studien, in denen die Genauigkeit von Red Flags in unterschiedlichen Bereichen der Gesundheitsversorgung untersucht wurden. Wir schlossen Studien ein, in denen die Ergebnisse der Anamnese (der Erhebung der Krankheitsgeschichte) und der körperlichen Untersuchung (oder von beidem) (als Index-Tests oder Red Flags bezeichnet) mit unterschiedlichen bildgebenden Untersuchungsverfahren (als Referenzstandard bezeichnet) zur Erkennung von Wirbelbrüchen bei Menschen mit Kreuzschmerzen verglichen wurden. Wir schlossen auch Studien ein, in denen getrennt über die Ergebnisse von Red Flags für die unterschiedlichen Arten von Wirbelbrüchen berichtet wurde.
Was fanden wir?
In vierzehn Studien wurden verschiedene Red Flags zur Erkennung von Wirbelbrüchen untersucht. Die meisten der untersuchten Red Flags waren weder genau noch von praktischem Nutzen. Die vier besten Red Flags waren die Einnahme von Kortikosteroiden („Kortison“; entzündungshemmende Medikamente, die das Knochengewebe schwächen können), das Alter der Person (über 70 Jahre), ein vorausgegangenes Trauma (z. B. ein Sturz) sowie das Prellungen (Blutergüssen) oder Abschürfungen (Schnitt- und Schürfwunden).
In der primären Gesundheitsversorgung (im Bereich der hausärztlichen bzw. allgemeinmedizinischen Versorgung) war „Trauma“ die beste Red Flag für „nicht spezifizierte Wirbelbrüche" und „osteoporotische Wirbelbrüche“. „Höheres Alter“ war die beste Red Flag für „nicht spezifizierte Wirbelbrüche" in der Primärversorgung. Die „Einnahme von Kortikosteroiden“ ist möglicherweise in der Primäversorgung eine geeignete Red Flag für „nicht spezifizierte Wirbelbrüche" und „osteoporotische Wirbelbrüche". Red Flags als Teil einer Kombination verschiedener Index-Tests, wie "höheres Alter und weibliches Geschlecht", waren in der Primärversorgung die besten Red Flags für "nicht spezifizierten Wirbelbrüche".
In der sekundären Gesundheitsversorgung (z. B. der Versorgung durch Fachärzt*innen oder andere spezialisierte Gesundheitsfachpersonen) war „Trauma" die beste Red Flag für „nicht spezifizierte Wirbelbrüchen“, und war „höheres Alter" die beste Red Flag für „osteoporotische Wirbelbrüche". Red Flags als Teil einer Kombination verschiedener Index-Tests, wie „höheres Alter und Trauma", waren in der Sekundärversorgung die besten Red Flags für „nicht spezifizierte Wirbelbrüche". „Vier von fünf positiven Red Flags" sind in der Sekundärversorgung möglicherweise dazu geeignet, „osteoporotische Wirbelbrüche" zu erkennen.
In der tertiären Versorgung (z. B. der spezialisierten Versorgung in einem Krankenhaus) war „Prellungen/Abschürfungen" die beste Red Flag für „Wirbelkompressionsbrüchen".
Was sind die Einschränkungen der Evidenz?
Eine Einschränkung unseres Reviews besteht darin, dass die meisten der eingeschlossenen Studien in unterschiedlichen Bereichen der Gesundheitsversorgung durchgeführt wurden, verschiedene Studiendesigns verwendeten oder Daten für unterschiedliche Arten von Wirbelbrüchen bereitstellten. Dies erschwerte das Formulieren von Schlussfolgerungen. Viele der untersuchten Red Flags entstammten einzelnen Studien, und nur in wenigen Studien wurden dieselben Index-Tests untersucht. Auch bei der Definition der Red Flags gab es wenig Einheitlichkeit und Übereinstimmung (z. B. war bei Kortikosteroiden nicht klar, wie lange und in welcher Menge sie verabreicht wurden), was erklären könnte, warum die Genauigkeit einiger Red Flags von Studie zu Studie variierte. Zudem wirken sich einige Red Flags möglicherweise auf verschiedene Arten von Wirbelbrüchen unterschiedlich aus; dies wurde jedoch in den meisten Fällen nicht klar angegeben.
Wie aktuell ist die vorliegende Evidenz?
Die Evidenz ist auf dem Stand von Juli 2022.
C. Braun, A. Eisele-Metzger, freigegeben durch Cochrane Deutschland