Kernaussage
Die Verlängerung der Einnahme von Blutverdünnern über den Krankenhausaufenthalt hinaus (nach der Entlassung) verringert die Wahrscheinlichkeit der Entstehung von Blutgerinnseln in den Beinen und in der Lunge, geht aber mit einem erhöhten Risiko für schwerwiegende Blutungen einher.
Was ist eine venöse Thromboembolie (VTE)?
Eine Venenthrombose liegt vor, wenn sich in einer Vene ein Thrombus (Blutgerinnsel) bildet. Dies kann zu Symptomen wie Schmerzen und Schwellungen führen, da der Blutfluss eingeschränkt wird. Sie tritt am häufigsten in den tiefen Beinvenen auf und wird allgemein als tiefe Venenthrombose (engl. deep venous thrombosis, DVT) bezeichnet. In manchen Fällen können sich die Thromben lösen und einen Embolus (ein Blutgerinnsel, das sich von seinem Ursprung fortbewegt) bilden, der durch das Venensystem in einen anderen Teil des Körpers gelangt, meist in die Lunge. Dieser Zustand, bekannt als Lungenembolie (englisch: pulmonary embolism, PE), stellt eine potenziell lebensbedrohliche Komplikation dar. Venöse Thromboembolie (VTE) ist ein Begriff, der sowohl für DVT als auch für PE verwendet wird. Ein Krankenhausaufenthalt infolge einer akuten internistischen Erkrankung zählt zu den Risikofaktoren, die eine VTE begünstigen können. Dies lässt sich auf mehrere Faktoren zurückführen, darunter bestehende gesundheitliche Probleme, neu aufgetretene Erkrankungen, eingeschränkte Mobilität und möglicherweise eingesetzte Medikamente. Daher ist die Thromboseprophylaxe bei diesen Patient*innen von besonderer Bedeutung.
Wie wird VTE bei akut kranken Patient*innen im Krankenhaus verhindert?
Patient*innen, die wegen einer internistischen Erkrankung ins Krankenhaus aufgenommen werden und ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung einer VTE aufweisen, können präventive Maßnahmen erhalten. Sofern kein Grund dagegen spricht, werden den Patient*innen üblicherweise Blutverdünner verabreicht, um das Risiko für VTE zu reduzieren. In der Regel werden während des gesamten Krankenhausaufenthalts Blutverdünner verabreicht. Eine Verlängerung der Einnahme von Blutverdünnern über die Krankenhausentlassung hinaus wurde als potenziell vorteilhaft vorgeschlagen, da sie möglicherweise die Vorbeugung von VTE effektiver unterstützen könnte.
Was wollten wir herausfinden?
Wir wollten herausfinden, ob eine Verlängerung der Verabreichung von Blutverdünnern über den Krankenhausaufenthalt hinaus das Risiko der Entwicklung einer VTE und der damit verbundenen Komplikationen im Vergleich zu einer Verabreichung nur während des Krankenhausaufenthalts senkt. Wir wollten auch die unerwünschten Wirkungen erforschen, die mit der Verlängerung der Einnahme von Blutverdünnern verbunden sind.
Wie gingen wir vor?
Wir suchten nach Studien, die eine Verlängerung der Einnahme von Blutverdünnern über den Krankenhausaufenthalt hinaus bei akut erkrankten internistischen Patient*innen untersuchten und sie mit der Einnahme von Blutverdünnern nur während des Krankenhausaufenthalts verglichen. Anschließend fassten wir die Ergebnisse dieser Studien zusammen und bewerteten unser Vertrauen in die Evidenz auf der Grundlage von Faktoren wie der jeweiligen Studiengröße und den Forschungsmethoden.
Was fanden wir?
Unsere Suche ergab sieben klinische Studien mit 40.846 Teilnehmenden, die mit unserer Fragestellung übereinstimmten. Die meisten Studien berichteten über kurzfristige Ergebnisse, d. h. während des Behandlungszeitraums und innerhalb von 45 Tagen nach dem Krankenhausaufenthalt.
Eine verlängerte Blutverdünnung verringerte im Vergleich zur Standardversorgung mit Blutverdünnern das Risiko einer kurzfristigen symptomatischen VTE (also einer venösen Thromboembolie, die sich durch von Patient*innen berichtete Symptome offenbart). Diesem Vorteil stand jedoch ein erhöhtes Risiko kurzfristiger schwerwiegender Blutungen entgegen, die beispielsweise eine Bluttransfusion erforderlich machen oder mit einem deutlichen Abfall des Hämoglobinwerts einhergehen können. In Bezug auf die Sterblichkeitsrate gab es zwischen den beiden Strategien keinen oder nur einen nicht relevanten Unterschied. Eine verlängerte Blutverdünnung führte im Vergleich zur Standardversorgung mit Blutverdünnern kurzfristig zu einer Verringerung der Gesamtzahl von VTE (einschließlich symptomatischer und asymptomatischer Fälle, die nur durch Routinetests oder Screening entdeckt wurden) sowie des kombinierten Endpunkts schwerwiegender vaskulärer Ereignisse, wie nicht-tödliche Herzinfarkte, nicht-tödliche Lungenembolien, tödliche Herz- oder Lungenerkrankungen und Schlaganfälle. Jedoch gibt es bezüglich tödlicher Blutungen (Blutungen, die zum Tod führen) möglicherweise und bezüglich eines Todesfalls infolge von VTE wahrscheinlich keinen oder allenfalls einen unbedeutenden Unterschied zwischen den beiden Strategien.
Was schränkt die Evidenz ein?
Bei der Bewertung von tödlichen Blutungen und Todesfällen infolge von VTE waren die Ergebnisse der Studien sehr unterschiedlich.
Wie aktuell ist die vorliegende Evidenz?
Die Evidenz ist auf dem Stand von März 2023.
B. Schindler, M. Zeitler, freigegeben durch Cochrane Deutschland