Verbessern Medikamente, die das Immunsystem dämpfen, die Gesundheit von Menschen mit Atherosklerose oder erhöhtem Atheroskleroserisiko?
Kernaussagen
- Möglicherweise verringern einige Wirkstoffe das Risiko für die Entwicklung einer Herzinsuffizienz, aber wir sind uns über die Ergebnisse sehr unsicher.
- Wir fanden keinen Unterschied in der Sterblichkeitsrate und auch keine Evidenz dafür, dass die Medikamente das Risiko eines Herzinfarkts oder Schlaganfalls verringern. Die Evidenz hierzu war sehr unsicher.
- Aufgrund der begrenzten Aussagekraft der verfügbaren Studien sind weitere fundierte Forschungsarbeiten erforderlich, um eindeutige Schlussfolgerungen über die Wirksamkeit dieser Wirkstoffe zur Vorbeugung von Herz-Kreislauf-Ereignissen zu ziehen.
Was ist Atherosklerose?
Atherosklerose bezeichnet den fortschreitenden Prozess, bei dem sich die Arterien durch Ablagerungen verengen und schließlich blockiert werden können. Bluthochdruck, ein hoher Cholesterinspiegel, Diabetes und Rauchen erhöhen das Risiko dafür ebenso wie das Alter und genetische Faktoren. Die atherosklerotischen Veränderungen der Gefäße können zu Angina Pectoris, Herzinfarkten, Schlaganfällen und Durchblutungsstörungen in den Füßen und Beinen (periphere Gefäßerkrankungen) führen. Diese Krankheiten, die durch die atherosklerotischen Verengungen der Arterien im Körper verursacht werden, bezeichnet man allgemein als atherosklerotische Gefäßerkrankungen („ACVD“). Auch chronische Entzündung spielen bei der Entstehung von Atherosklersoe eine Rolle. Daher wurden viele Studien durchgeführt, die die Wirkung von Medikamenten, die auf das Immunsystem einwirken und Entzündungen dämpfen, auf den atherosklerotischen Krankheitsprozess untersuchen.
Welche Wirkstoffe, die das Immunsystem beeinflussen, haben wir untersucht?
Interleukin-1 (IL-1) ist ein Stoff, der einen Entzündungsprozess auslöst, wenn er an seinen Rezeptor (IL-1R) bindet. Anakinra und Canakinumab sind Medikamente, die die Bindung von IL-1 an den IL-1-Rezeptor blockieren ("antagonisieren") und als IL-1Ras bezeichnet werden. Anakinra wird zum Beispiel zur Behandlung von rheumatoider Arthritis eingesetzt.
Interleukin-6 (IL-6) ist ähnlich, und ein Medikament namens Tocilizumab blockiert den IL-6-Rezeptor, um die Entwicklung des Entzündungsprozesses zu verhindern.
Tumornekrose-Faktor-alpha (TNF-a) ist ein Zytokin. Ein Zytokin ist ein kleines Protein. TNF-a ist am Entzündungsprozess beteiligt. Medikamente wie Infliximab, Etanercept und Adalimumab hemmen die TNF-Aktivität und dämpfen die Entzündung.
Was wollten wir herausfinden?
Wir wollten herausfinden, ob es Evidenz dafür gibt, dass diese entzündungshemmenden Medikamente das Fortschreiten von ACVD beeinflussen und das Risiko, an einem Herzinfarkt, Schlaganfall oder anderen Komplikationen zu sterben, verringern können.
Wie gingen wir vor?
Wir sammelten alle verfügbaren Daten zu Studien, in denen diese Wirkstoffe eingesetzt wurden, und die über die Endpunkte Tod, Herzinfarkt, Schlaganfall, periphere Gefäßerkrankungen, Herzinsuffizienz sowie über Infektionen und generell über Nebenwirkungen berichteten. Wir untersuchten 58 Studien mit über 20.000 Teilnehmenden. Einige dieser Studien (34) konzentrierten sich auf die Vorbeugung der Entwicklung einer ACVD. Die übrigen (24) untersuchten die Auswirkungen dieser Medikamente bei Patient*innen mit bestehender ACVD, um zu prüfen, ob sie das Auftreten weiterer Komplikationen verhindern können.
Was fanden wir?
Im Großen und Ganzen haben wir festgestellt, dass diese Wirkstoffe, wenn überhaupt, nur einen sehr begrenzten Einfluss auf die Entwicklung oder das Fortschreiten einer ACVD haben. Wir fanden keine schlüssigen Ergebnisse zu ihrer Auswirkung auf das Risiko von Tod, Herzinfarkt, Schlaganfall oder peripheren Gefäßerkrankungen. Möglicherweise haben sie einen gewissen Einfluss auf die Herzinsuffizienz, aber die Evidenz hierzu war sehr unsicher.
Was schränkt die Evidenz ein?
Wir stellten fest, dass die Studien mehrere Mängel in der Durchführung aufwiesen; zudem war die Zahl der Teilnehmenden begrenzt. Aus diesen Gründen können wir keine endgültigen Schlussfolgerungen ziehen.
Wie aktuell ist die vorliegende Evidenz?
Wir suchten nach Studien, die bis 20. Februar 2024 veröffentlicht wurden.
M. Zeitler, B. Schindler, freigegeben durch Cochrane Deutschland