Kernaussagen
- Insgesamt sind wir uns unsicher über die Auswirkungen eines während einer Notoperation eingesetzten Netzes bei Menschen mit Leistenbrüchen.
- Die schlechte methodische Qualität der Studien und die geringe Zahl der eingeschlossenen Personen lassen keine eindeutigen Schlussfolgerungen zu.
Was sind Notfälle bei Leistenbrüchen?
Ein Leistenbruch ist eine Ausstülpung, bei der sich durch eine Schwachstelle in der Bauchdecke Gewebe in der Leistengegend vorwölbt. Es handelt sich um eine häufige Erkrankung, die sowohl bei Männern als auch bei Frauen chirurgisch behandelt wird. Männer sind deutlich häufiger betroffen - mehr als jeder vierte Mann ist betroffen. Eine seltene, aber ernsthafte Komplikation eines Leistenbruchs ist eine Beeinträchtigung der Blutversorgung des Bruchinhalts (Strangulation), wenn der Darm oder andere Gewebe in der Bruchöffnung eingeklemmt werden (Inkarzeration). Klinisch erkennt man diese Komplikation am plötzlichen Auftreten eines schmerzhaften Knotens in der Leistengegend, manchmal begleitet durch Übelkeit, Erbrechen und starkes Unwohlsein. Wenn jemand eine solche Komplikation hat, ist eine schnelle Operation notwendig, um Schäden am Darm zu verhindern, falls das manuelle Zurückbringen des Gewebes nicht erfolgreich ist.
Wie werden Notfälle bei Leistenbrüchen behandelt?
Es besteht kein Konsens, welche Operationsmethode für die Behandlung von Leistenbrüchen am besten geeignet ist. Zuerst muss die Ausstülpung (Fettgewebe oder Darm) in die Bauchhöhle zurückgeführt und die Blutversorgung des Darms wiederhergestellt werden. Dann muss die Schwachstelle in der Bauchdecke behoben werden. Generell kann dies durch Anbringen eines Netzes oder nur durch chirurgische Nähte (ohne Netz) geschehen. Ein Netz ist ein chirurgisches Gitter, das in die Bauchwand an der Stelle der Schwachstelle eingesetzt wird, um diese zu stabilisieren. Die verschiedenen Operationsmethoden für Leistenbrüche werden als "Hernienchirurgie" bezeichnet. Während ein Netz bei geplanten Operationen von Leistenbrüchen der Goldstandard ist, ist dies bei Notfalloperationen umstritten. Theoretisch könnte die Implantation eines Fremdkörpers (Netz) das Infektionsrisiko nach der Notoperation eines Leistenbruchs erhöhen, so dass möglicherweise eine Hernienchirurgie ohne Netz bevorzugt werden sollte. Diese Theorie muss aber noch bestätigt werden.
Was wollten wir herausfinden?
Wir wollten herausfinden, ob sich Leistenbruchoperationen mit Netz von Operationen ohne Netz in Bezug auf Infektionen im Zusammenhang mit der Operationswunde, Todesfällen nach der Operation, das Wiederauftreten des Leistenbruchs (Rezidiv) und Komplikationen unterscheiden. Wir wollten auch wissen, wie viele Netze später aufgrund von Komplikationen entfernt wurden.
Wie gingen wir vor?
Wir suchten nach Studien, in denen Operationen von Leistenbrüchen mit oder ohne Netz bei Erwachsenen untersucht wurden, die wegen ihres Leistenbruchs notoperiert werden mussten.
Wir verglichen die Ergebnisse der Studien und fassten sie mit statistischen Methoden zusammen. Wir bewerteten unser Vertrauen in die Evidenz anhand von Faktoren wie der Qualität der Studien und der Anzahl der Teilnehmenden.
Was fanden wir?
Wir fanden 15 Studien mit 1241 Personen, von denen 626 mit Netz und 615 ohne Netz operiert wurden. Die meisten Studien wurden in China durchgeführt (10 Studien), die übrigen Studien wurden im Nahen Osten und in Südasien durchgeführt. Die Studien dauerten zwischen 11 Monaten und 11 Jahren.
Wir fanden heraus, dass die Operation von Leistenbrüchen mit Netz das Risiko von Wundinfektionen oder Todesfällen innerhalb von 30 Tagen nach der Operation im Vergleich zu Operationen ohne Netz möglicherweise nicht beeinflusst.
Innerhalb von 30 Tagen wurden keine Rezidive berichtet. Einige Leistenbrüche traten innerhalb eines Jahres nach der Operation wieder auf, aber unsere Analyse ergab keine Risikounterschiede bei Operationen mit oder ohne Netz.
In den weniger schweren Fällen einer notfallmäßigen Leistenhernie musste innerhalb von 30 Tagen nach der Chirurgie kein Netz entfernt werden. Einer Studie zufolge wurde jedoch in den schwereren Fällen eines von 15 Netzen entfernt.
Was schränkt die Evidenz ein?
Die Evidenz ist sehr begrenzt, so dass wir keine eindeutigen Schlussfolgerungen ziehen können. Wir halten die Evidenz für unsicher, da die Gesamtqualität der eingeschlossenen Studien sehr gering war. Außerdem konnten wir nicht alle Informationen finden, die wir untersuchen wollten. Die wenigen Studien, die alle relevanten Informationen berichteten, waren leider zu klein, um mögliche Unterschiede in der Wirksamkeit der Behandlung aufzuzeigen.
Wie aktuell ist die vorliegende Evidenz?
Diese Evidenz ist auf dem Stand von August 2022.
T. Brugger, B. Schindler, freigegeben durch Cochrane Deutschland