Fragestellung Was ist der Nutzen der chirurgischen Entfernung der Fettablagerungen und Blutgerinnsel von der Innenwand der Karotis (-Arterie, Halsschlagader; der Eingriff wird Thrombendarterektomie genannt) für Patienten mit vor kurzem (innerhalb der vorausgegangenen vier bis sechs Monate) aufgetretenen Symptomen aufgrund einer Karotisstenose (Verengung der Arterie, die das Gehirn mit Blut versorgt)?
Hintergrund: Schlaganfälle verursachen langfristige Einschränkungen und können tödlich sein. Die Wahrscheinlichkeit, an einem ersten Schlaganfall zu sterben, beträgt 15% bis 35% und steigt für Folge-Schlaganfälle, die häufig innerhalb eines Jahres nach dem ersten Anfall auftreten, auf 69% an. Eine Karotis-Thrombendarterektomie kann das Schlaganfallrisiko möglicherweise verringern, geht jedoch mit einem Risiko für Komplikationen unmittelbar vor, nach und während der Operation einher, zu denen Schlaganfälle und der Tod zählen. Das Risiko für einen Schlaganfall und den Tod innerhalb von 30 Tagen nach der Endarteriektomie beträgt 7% und umfasst okuläre (das Auge betreffende) Gefäßverschlüsse oder zerebrale (im Gehirn stattfindende) Schlaganfälle mit Symptomen, die länger als 24 Stunden andauern.
Studienmerkmale: In diesem Review wurden drei randomisierte, kontrollierte Studien (6.343, den Studiengruppen zufällig zugeteilte Teilnehmer) identifiziert, in denen eine Karotis-Operation mit keiner Karotis-Operation (d.h. der besten ärztlichen Behandlung plus Operation mit der besten ärztlichen Behandlung allein) bei Teilnehmern mit Karotisstenose und kürzlich erlittenen transitorischen ischämischen Attacken (TIAs, vorübergehenden Minderdurchblutung mit vorübergehenden Symptomen) oder kleinen ischämischen (durch Minderdurchblutung verursachten) Schlaganfällen im Versorgungsgebiet der Karotisarterie verglichen wurde. Die Studien wurden in Europa, den USA und Kanada durchgeführt und schlossen einige Zentren in Israel, Südafrika und Australien ein. Das Geschlechterverhältnis der Teilnehmer betrug 2,6:1 (72% Männer und 28 % Frauen); 90% der Teilnehmer waren jünger als 75 Jahre.
Die Ergebnisse der drei Studien waren zunächst widersprüchlich, weil die Studien sich darin unterschieden, wie die Karotisstenose gemessen wurde und wie die Endpunkte definiert waren. Um diese Unstimmigkeit zu beheben, begutachteten wir die Patientendaten erneut unter Anwendung der gleichen Methoden und Definitionen, so dass die Ergebnisse miteinander verglichen werden konnten.
Hauptergebnisse: Die Ergebnisse dieses Reviews sind auf dem Stand von Juli 2016. Die Ergebnisse zeigten, dass ältere männliche Teilnehmer mit 70%iger bis 99%iger Stenose, ohne Verschluss, und kürzlich (innerhalb von zwei Wochen) erlittenen TIAs oder Schlaganfällen den größten Nutzen von der Operation hatten, ausgehend von der Annahme, dass ihr Gesundheitszustand für die Operation ausreichend gut war und ihre Operateure eine geringe Komplikationsrate vorweisen konnten (Schlaganfall- und Todesrisiko weniger als 7%). Die Karotis-Thrombendarterektomie hatte auch einen Nutzen für Studienteilnehmer mit 50%iger bis 90%iger Karotisstenose und Symptomen. Für Teilnehmer, deren Hauptschlagader fast komplett verschlossen war, war der langfristige Nutzen unsicher. Es gab eine Tendenz dafür, dass die Operation für Studienteilnehmer mit weniger als 30%er Stenose schädlich war (negative Wirkungen hatte).
In der zweiten Europäische Karotis-Operations-Studie (‚European Carotid Surgery Trial‘), die zurzeit Teilnehmer aufnimmt, wird untersucht, ob ein Lipid-senkendes (Blutfettwerte-senkendes) Medikament (Statin) eine bessere Wahl als die Karotis-Thrombendarterektomie sein könnte, um ischämische Schlaganfälle bei gleichseitiger Karotisstenose zu verhindern. Dies könnte denjenigen Patienten nutzen, die in diesen Studien bislang keinen Nutzen erfuhren.
Qualität der Evidenz: Wir fanden Evidenz von hoher Qualität für den fast vollständigen Verschluss und weniger als 30%ige Karotisstenosen; und Evidenz von moderater Qualität für 50%ige bis 99%ige Karotisstenosen für jegliche Art von Schlaganfall oder den operationsbedingten Tod sowie für gleichseitige ischämische Schlaganfälle, jegliche Art von operationsbedingten Schlaganfällen oder den Tod.
C. Hirth, freigegeben durch Cochrane Deutschland