Kann die Injektion von Hyaluronidase in den Dammbereich während der zweiten Phase der Geburt dazu beitragen, Verletzungen im Genitalbereich zu verringern?

Kernaussagen

Bei Frauen in der zweiten Phase der Wehen verringert eine Injektion von Hyaluronidase (HAase) in den Bereich des Damms – die Region zwischen Vulva und Anus – möglicherweise das Risiko von Verletzungen dieses Gewebes im Vergleich zu einem Verzicht auf diesen Eingriff. Dazu zählen sowohl ungewollte Risse als auch gezielte chirurgische Schnitte wie Episiotomien – oder eine Kombination aus beidem. Beim Vergleich der HAase-Injektion mit einer Placebo-Injektion (Scheininjektion) gibt es möglicherweise keinen Unterschied.

Die Injektion von HAase in den Bereich des Damms während der zweiten Phase der Wehen verringert wahrscheinlich die Schwellung im Dammbereich 24 Stunden nach der vaginalen Entbindung im Vergleich zu einer Placebo-Injektion.

Es bedarf weiterer qualitativ hochwertiger Studien, um die Wirkung einer HAase-Injektion in den Bereich des Damms bei vaginalen Geburten umfassend zu untersuchen und zu bewerten.

Was ist eine Dammverletzung bei einer vaginalen Geburt?

Das Perineum bezeichnet den Gewebebereich, der den Urogenitaltrakt und den Anus umschließt und verbindet. Dieser Bereich kann während einer natürlichen (vaginalen) Geburt entweder spontan durch einen Riss oder gezielt durch einen chirurgischen Dammschnitt (Episiotomie) verletzt werden. Dammverletzungen treten nach vaginalen Geburten sehr häufig auf und können sowohl kurzfristige als auch langfristige gesundheitliche Folgen mit sich bringen. Dammverletzungen werden je nach Schweregrad und Ausdehnung des betroffenen Bereichs als Verletzungen ersten, zweiten, dritten oder vierten Grades eingestuft.

Warum ist es wichtig, mögliche Techniken zur Verringerung von Verletzungen des Dammbereichs bei vaginalen Entbindungen zu untersuchen?

Dammverletzungen können sowohl direkt nach der Geburt als auch langfristig zu gesundheitlichen Problemen führen. Dazu gehören Blutungen, Infektionen der Wunde, Verletzungen des analen Schließmuskels, Probleme beim Wasserlassen, unkontrollierter Stuhlgang, Schäden an den Muskeln im Beckenboden sowie Schwierigkeiten oder Schmerzen beim Sex. Diese Folgen können auch die seelische Gesundheit belasten. Eine schwere Dammverletzung kann möglicherweise durch Dammmassage und warme Kompressen verhindert werden. Allerdings fehlen bislang wirksame Maßnahmen, um das Risiko von Dammverletzungen ersten und zweiten Grades zu reduzieren, die den Großteil der Dammverletzungen bei vaginalen Geburten ausmachen.

Was wollten wir herausfinden?

Die Injektion von Hyaluronidase in den Dammbereich gilt als risikoarme, kosteneffiziente und potenziell effektive Methode zur Entspannung des Gewebes. Sie wird vorgeschlagen, um das Risiko spontaner Risse oder geplanter Schnitte (Episiotomien) während der Geburt zu reduzieren, ohne dabei unerwünschte Wirkungen zu verursachen. Die zweite Phase der Wehen beginnt mit der vollständigen Öffnung des Gebärmutterhalses und endet mit der Geburt des Kindes. Wir wollten wissen, ob die Injektion von Hyaluronidase in den Dammbereich während der zweiten Phase der Wehen Risse des Damms, einen Dammschnitt oder Schmerzen im Dammbereich nach einer vaginalen Geburt verringert und ob es unerwünschte Wirkungen gibt.

Wie gingen wir vor?

Wir suchten nach randomisiert kontrollierten Studien, die die Injektion von Hyaluronidase in den Dammbereich im Vergleich zu einer Placebo-Injektion oder keiner Intervention zur Verringerung von Verletzungen des Damms und den damit verbundenen Komplikationen bei vaginalen Geburten untersucht haben. Die Teilnehmerinnen der Studien mussten Frauen sein, die ihr erstes Kind zur Welt brachten, welches sich in der üblichen Lage zur Entbindung befinden musste. Wir fassten die Ergebnisse der Studien zusammen, verglichen sie und bewerteten unser Vertrauen in die Evidenz auf der Grundlage von Faktoren wie Studienmethoden und Größe der Studien.

Was fanden wir?

Wir fanden fünf Studien, an denen 743 Frauen beteiligt waren, die zum ersten Mal entbunden haben. An der größten Studie nahmen 200 Frauen teil, an der kleinsten 100 Frauen. Die Studien wurden in Lateinamerika, Nordamerika, Europa und Asien durchgeführt.

Die Studien zeigen, dass eine Injektion von Hyaluronidase in den Dammbereich während der zweiten Phase der Wehen möglicherweise das Risiko für Dammverletzungen (definiert als Dammriss, Dammschnitt oder beides) bei vaginalen Entbindungen im Vergleich zu keiner Intervention verringert (basierend auf 3 Studien mit insgesamt 426 Teilnehmerinnen). Im Vergleich zu einer Placebo-Injektion gibt es jedoch möglicherweise keinen oder nur einen geringen Unterschied im Risiko für Dammverletzungen (basierend auf 3 Studien mit 373 Teilnehmerinnen). Vergleich von Hyaluronidase mit einer Placebo-Injektion: 746 von 1000 Frauen, die Hyaluronidase erhalten haben, erleiden möglicherweise eine Dammverletzung, verglichen mit 794 von 1000 Frauen, die eine Placebo-Injektion erhalten haben. Vergleich von Hyaluronidase mit keiner Intervention: 475 von 1000 Frauen, die Hyaluronidase erhalten haben, erleiden möglicherweise eine Dammverletzung verglichen mit 779 von 1000 Frauen, bei denen keine Maßnahme ergriffen wurde.

Die Injektion von Hyaluronidase in den Dammbereich reduziert wahrscheinlich die Schwellung im Dammbereich 24 Stunden nach der vaginalen Entbindung im Vergleich zur einer Placebo-Injektion (2 Studien; 303 Teilnehmerinnen).

Es gibt möglicherweise keine Unterschiede zwischen diesen beiden Gruppen hinsichtlich der Wahrscheinlichkeit eines Dammrisses ersten und zweiten Grades, eines Dammrisses dritten und vierten Grades, der Notwendigkeit eines Dammschnitts, einer Dammschwellung eine Stunde nach der vaginalen Geburt und eines Apgar-Scores (Maß für den Gesundheitszustand des Neugeborenen) von weniger als 7 fünf Minuten nach der vaginalen Geburt.

In den Studien wurden keine unerwünschte Wirkungen (z. B. allergische Reaktionen, Blutungsneigung und lokale Schmerzen bei der Injektion) berichtet.

Was schränkt die Evidenz ein?

Die Vertrauenswürdigkeit der Ergebnisse ist begrenzt, da die Studienergebnisse sehr unterschiedlich ausfielen und die Studien nur eine kleine Anzahl von Frauen umfassten. Bei einigen Studien war die Methodik unklar, und es blieb bei einigen Studien offen, ob sichergestellt wurde, dass weder die Teilnehmerinnen noch die Personen, die die Endpunkte erfassten, über die Zuteilung der Injektionen informiert waren. Es ist wahrscheinlich, dass weitere Studien unsere Ergebnisse verändern werden.

Wie aktuell ist die vorliegende Evidenz?

Dieser Review ist eine Aktualisierung einer vorherigen Version. Die Evidenz ist auf dem Stand von November 2023.

Anmerkungen zur Übersetzung: 

B. Schindler, M. Zeitler, freigegeben durch Cochrane Deutschland

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