Fragestellung
Wir wollten beurteilen, ob eine höhere Sauerstoffsupplementation für Erwachsene auf der Intensivstation besser ist als eine niedrigere Sauerstoffsupplementation.
Hintergrund
Erwachsene auf der Intensivstation sind schwer krank und haben ein hohes Sterberisiko. Der Großteil der Patienten auf der Intensivstation erhält eine Sauerstoffsupplementation oder Sauerstofftherapie und viele Patienten werden maschinell beatmet. Eine schwere Erkrankung kann zu Sauerstoffmangel im Blut führen, bekannt als Hypoxämie. Dies kann Patienten dem Risiko eines Sauerstoffmangels im Gewebe (Hypoxie) aussetzen oder zu Organversagen führen. Auch die Einnahme von Beruhigungsmitteln und starken Schmerzmitteln kann die Atmung und den Sauerstoffgehalt entsprechend beeinträchtigen.
In der klinischen Routine wird die Sauerstoffsupplementation bisher großzügig gehandhabt, was möglicherweise zu einer zu hohen Sauerstoffkonzentration, der sogenannten Hyperoxie, führt. Trotz des Mangels an zuverlässiger Evidenz zur Wirksamkeit wird die Sauerstoffsupplementation in internationalen Leitlinien für die klinische Praxis weithin empfohlen. Allerdings rät eine neue Leitlinie von hohen Sauerstoffkonzentrationen ab, da einige, aber nicht alle, klinischen Studien auf einen Zusammenhang zwischen Hyperoxämie und einem erhöhten Sterberisiko hinwiesen. Der mögliche Nutzen einer Sauerstoffsupplementation muss gegen die möglichen schädlichen Auswirkungen einer Hyperoxämie abgewogen werden.
Studienmerkmale
Wir identifizierten bis Dezember 2018 10 randomisierte kontrollierte Studien (Studien, in denen die Teilnehmer zufällig einer Interventions- oder Kontrollgruppe zugeteilt werden) mit 1458 Teilnehmern. Sieben der Studien (1285 Teilnehmer) lieferten Ergebnisse zu der Anzahl an Todesfällen, schweren unerwünschten Ereignissen und Lungenschäden in den drei Monaten nach Sauerstofftherapie auf der Intensivstation. Lungenschäden wurden gemäß den Teilnehmenden, die an akutem Atemnotsyndrom litten oder eine Lungenentzündung entwickelten, gemessen. Fünf Studien schlossen Erwachsene ein, die auf eine Intensivstation überwiesen wurden, auf der ein breites Spektrum an schwer erkrankten Patienten behandelt wird. Eine Studie betrachtete Erwachsene, die auf einer chirurgischen Intensivstation lagen. Zwei Studien schlossen Erwachsene mit Schädel-Hirn-Trauma ein; eine Studie schloss Erwachsene nach Herzstillstand und Wiederbelebung ein und eine Studie schloss Erwachsene mit Schlaganfall ein. Alle Teilnehmer in sechs Studien erhielten eine invasive maschinelle Beatmung, direkt durch einen Schlauch in die Luftröhre. In einer Studie wurden einige der Teilnehmer maschinell beatmet, während andere eine nichtinvasive Sauerstoffzufuhr erhielten. Drei Studien schlossen Erwachsene ein, die eine nichtinvasive Sauerstoffzufuhr erhielten. Alle Studien verglichen die Gabe von mehr mit weniger Sauerstoff, allerdings wurden sehr unterschiedliche Mengen bei der Sauerstoffsupplementation verwendet. Die Sauerstofftherapie wurde in einem Zeitrahmen von einer Stunde bis zur gesamten Dauer des Krankenhausaufenthalts durchgeführt.
Hauptergebnisse
Da unsere Ergebnisse auf Evidenz von sehr niedriger Vertrauenswürdigkeit beruhen, sind wir uns bezüglich der Auswirkungen von höheren Sauerstoffkonzentrationen unsicher. Wir fanden keine Evidenz für eine nutzbringende Wirkung von höherer, verglichen mit niedrigerer Sauerstoffsupplementation für Erwachsene auf der Intensivstation. Höhere Sauerstoffkonzentrationen könnten das Sterberisiko (4 Studien; 1135 Teilnehmer) und das Risiko für schwere unerwünschte Ereignisse (6 Studien, 1234 Teilnehmer) erhöht haben. Es gab keine Evidenz für einen Unterschied bei Lungenschäden bei der Verwendung von höherer Sauerstoffsupplementation verglichen mit niedrigerer Sauerstoffsupplementation, allerdings ist die Evidenz sehr unsicher (5 Studien; 1167 Teilnehmer). Keine der eingeschlossenen Studien berichtete über Lebensqualität zu irgendeinem Zeitpunkt, akuten Herzinfarkt und Schlaganfall. Nur eine Studie berichtete über Sepsis.
Vertrauenswürdigkeit der Evidenz
Die Anzahl der Teilnehmer in den Studien war zu gering um ein endgültiges Urteil über die Ergebnisse des Reviews abgeben zu können. Die Studien unterschieden sich in der Art der Erkrankung der Teilnehmer, ihrer damit verbundenen klinischen Versorgung, Schwere der Erkrankung und Zielvorgaben, wie viel Sauerstoff gegeben wurde und über welchen Zeitraum. Zwei der Studien hatten ein niedriges Risiko für Bias, abgesehen von fehlender Verblindung der Teilnehmenden und des Personals. Insgesamt hatten alle eingeschlossenen Studien ein hohes Risiko für Bias.
A. Wenzel, freigegeben durch Cochrane Deutschland