Worum geht es?
Eine Schwangerschaft dauert normalerweise zwischen 37 und 42 vollendeten Wochen. Wenn die Geburt früher stattfindet und das Baby zu früh geboren wird, besteht ein hohes Risiko, dass das Baby Atemprobleme hat und unter anderen Komplikationen leiden könnte. Es besteht auch das Risiko, dass das Frühgeborene stirbt, insbesondere wenn es in einer Einrichtung geboren wird, die nicht über die notwendige spezialisierte Pflege für das Neugeborene verfügt. Müttern mit Anzeichen für vorzeitige Wehen oder geplanten Frühgeburten werden häufig Steroide gespritzt, welche die Lungenreifung des Babys unterstützen und schwere Atemprobleme nach der Geburt verhindern können.
Warum ist das wichtig?
In Ländern mit hohem Einkommen und in Krankenhäusern mit den notwendigen spezialisierten Betreuungseinrichtungen gehört die Verabreichung von Steroiden an Mütter, bei denen das Risiko einer Frühgeburt besteht, zur Standardbehandlung. Da dies in Ländern mit niedrigem Einkommen, in denen Frühgeburten im Vergleich zu anderen Ländern häufiger vorkommen, nicht immer der Fall ist, wurden weltweit Anstrengungen unternommen, um den Einsatz von Steroiden in diesen Ländern zu erhöhen. Da es jedoch in der Regel auch an anderen unterstützenden Massnahmen für Neugeborene und an einer genauen Bestimmung des Schwangerschaftsalters mangelt, müssen Nutzen und Schaden eines verstärkten Einsatzes von Steroiden im Vergleich zu den üblichen Behandlungsmethoden bewertet werden.
Welche Evidenz fanden wir?
Wir haben im September 2019 nach Evidenz gesucht und drei Studien identifiziert, die unsere Einschlusskriterien erfüllten. Alle drei Studien untersuchten Interventionen, die darauf abzielten, den Einsatz von Steroiden bei Müttern mit Frühgeburtsrisiko zu fördern. Wir fanden allerdings keine Studie, die Interventionen untersuchten, die darauf abzielten, den Einsatz von Steroiden einzuschränken. Zwei Studien wurden in Krankenhäusern in Ländern mit hohem Einkommen durchgeführt. Eine Studie wurde hingegen in ressourcenarmen Einrichtungen in sechs Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen durchgeführt. In zwei Studien wurde festgestellt, dass die Interventionen zu einem Anstieg des Einsatzes von Steroiden führten. In einer Studie wurde kein Unterschied bezüglich des Einsatzes von Steroiden festgestellt. Eine große Studie in einem ressourcenarmen Umfeld ergab, dass von den Frauen, die ein Frühgeborenes zur Welt brachten, mehr Frauen in der Interventionsgruppe (45 %) Steroide erhielten als Frauen in der Kontrollgruppe (10 %) (niedrige Vertrauenswürdigkeit der Evidenz). In der Gruppe der Frauen, die keine Frühgeburten zur Welt brachten, erhielten jedoch mehr Frauen in der Interventionsgruppe (10 %) als in der Kontrollgruppe (1 %) Steroide, obwohl sie diese nicht benötigten (niedrige Vertrauenswürdigkeit der Evidenz).
Nur in der einen großen Studie, die in ressourcenarmen Gebieten durchgeführt wurde, wurden wichtige Behandlungsergebnisse untersucht. Die Studie ergab, dass der perinatale Tod (Tod des Babys vor der Geburt oder innerhalb der ersten sieben Lebenstage), die Totgeburt (Tod des Babys vor der Geburt) und der neonatale Tod innerhalb von 28 Tagen (Tod des Babys in den ersten 28 Lebenstagen) wahrscheinlich häufiger bei allen Babys (nicht nur bei Frühgeborenen) auftreten, wenn die Verwendung von Steroiden aktiv gefördert wird, verglichen mit der üblichen Versorgung (moderate Vertrauenswürdigkeit der Evidenz). Ausserdem wurde festgestellt, dass Infektionen bei der Mutter häufiger auftreten können, wenn verstärkt Steroiden angewandt werden Es kann jedoch sein, dass sich das Sterberisiko der Mütter zwischen den Gruppen nur geringfügig oder gar nicht unterscheidet (niedrige Vertrauenswürdigkeit der Evidenz).
Was bedeutet das?
In ressourcenarmen Gebieten könnte eine Strategie zur aktiven Förderung der Verwendung von Steroiden bei Müttern, bei denen das Risiko einer Frühgeburt besteht, auf Bevölkerungsebene schädlich für Säuglinge und ihre Mütter sein. Die politischen Entscheidungstragenden müssen den Nutzen und die potenziellen Risiken sorgfältig gegeneinander abwägen, wenn sie eine Ausweitung dieser Massnahme in ressourcenarmen Gebieten in Betracht ziehen. Die Wirksamkeit von Ansätzen zur Ausweitung des Einsatzes von Steroiden bei Müttern mit Frühgeburtsrisiko in ressourcenarmen Ländern muss weiter erforscht werden.
A. Walther, A. Walther, freigegeben für Cochrane Schweiz. Unterstützt von Fondation SANA (www.fondation-sana.ch)