Kortisonspritze bei Karpaltunnelsyndrom

Kernaussagen

Eine Kortisonspritze in den Bereich des Karpaltunnels am Handgelenk verbessert wahrscheinlich die Symptome des Karpaltunnelsyndroms (Kompression eines Nervs im Handgelenk) und die Funktion der Hand für bis zu sechs Monate. Auch die Bewertung der Lebensqualität und die bis zu drei Monate nach der Injektion durchgeführten Nervenleitfähigkeitstests verbessern sich möglicherweise. Die Injektion von Kortikosteroiden verringert möglicherweise die Notwendigkeit eines chirurgischen Eingriffs, wie bei der Nachuntersuchung nach einem Jahr festgestellt wurde. Nebenwirkungen scheinen selten zu sein. Bei bis zu einem Drittel der Betroffenen kann es jedoch zu einer spontanen Besserung auch ohne Behandlung kommen.

Was ist das Karpaltunnelsyndrom?

Das Karpaltunnelsyndrom ist weltweit sehr verbreitet, beeinträchtigt die Lebensqualität der Betroffenen und verursacht erhebliche finanzielle Kosten für die Gesundheitssysteme. Die Symptome treten auf, wenn der Medianusnerv im Handgelenk "gereizt" wird. Diese führt zu Schmerzen, Kribbeln, Taubheitsgefühlen und manchmal auch zu Schwäche und Funktionsverlusten in der Hand und den Fingern.

Wie wird das Karpaltunnelsyndrom behandelt?

Kortikosteroide sind Medikamente, die Entzündungen und Schwellungen reduzieren. Kortikosteroid-Injektionen in den Karpaltunnel (ein schmaler, von Knochen und Bindegewebe umgebener Kanal an der Handinnenseite) werden in der Regel bei leichten oder mittelschweren Symptomen eingesetzt und sind wesentlich kostengünstiger als eine Operation. Die Wirksamkeit und die Dauer der Wirkung sind jedoch umstritten.

Was wollten wir herausfinden?

Wir wollten herausfinden, ob eine Kortikosteroid-Injektion in den Karpaltunnel am Handgelenk Menschen mit Karpaltunnelsyndrom hilft. Die Autor*innen der Studie sammelten und analysierten alle relevanten Studien zu dieser Fragestellung. Sie fanden 14 Studien.

Wie gingen wir vor?

Wir suchten in medizinischen Datenbanken nach Studien, in denen die Auswirkungen lokaler Kortikosteroid-Injektionen auf die Symptome und die Funktion der Hände sowie auf die Verbesserung elektrischer Tests für Nervenschäden (so genannte Nervenleitfähigkeitstest) bis zu sechs Monate nach der Injektion untersucht wurden. Wir untersuchten auch, ob ein chirurgischer Eingriff notwendig wurde, sowie die Lebensqualität und die unerwünschten Wirkungen über einen Zeitraum von bis zu 12 Monaten.

Was fanden wir heraus?

Wir fanden neun Studien mit 639 Personen, die in Kliniken in Nordamerika, Europa und dem Nahen Osten durchgeführt wurden. Die Studien schlossen Personen mit Grunderkrankungen aus, die häufig mit dem Karpaltunnelsyndrom einhergehen, wie z. B. Arthritis und Diabetes. Alle Teilnehmenden hatten ein "leicht" oder "mäßig" ausgeprägtes Karpaltunnelsyndrom.

Eine lokale Kortikosteroid-Injektion verbessert wahrscheinlich die Symptome und die Funktion der Hand im Zeitraum bis zu drei Monaten. Die lokale Kortikosteroid-Injektion verbessert wahrscheinlich die Nervenleitfähigkeit. Die Lebensqualität verbessert sich möglicherweise im Zeitraum bis zu drei Monate. Möglicherweise verringert sich die Notwendigkeit einer Operation (bei der Untersuchung nach einem Jahr). Die Rate schwerwiegender Komplikationen war sehr niedrig, allerdings gaben nur 66% der Studien sie an.

Was schränkt die Evidenz ein?

Kortikosteroid-Injektionen könnten bei Betroffenen mit einem schwereren Karpaltunnelsyndrom oder mit anderen Erkrankungen wie Diabetes besser oder schlechter wirken. Weil diese Menschen in der Regel nicht in die Studien einbezogen wurden, sind Aussagen für diese Personengruppen nicht möglich.

Wie aktuell ist dieser Review?

Die Autoren der Studie suchten nach Studien, die bis zum 26. Mai 2022 veröffentlicht worden waren.

Schlussfolgerungen der Autoren: 

Lokale Kortikosteroidinjektionen sind bei der Behandlung von leichtem und mittelschwerem CTS wirksam, wobei die Wirkung bis zu sechs Monate anhält und die Notwendigkeit einer Operation über einen Nachbeoabachtungszeitraum von bis zu 12 Monate reduziert werden kann. Sofern berichtet, waren schwerwiegende unerwünschte Ereignisse selten.

Den gesamten wissenschaftlichen Abstract lesen...
Hintergrund: 

Das Karpaltunnelsyndrom (CTS) ist ein sehr häufiges klinisches Syndrom, das sich durch Beschwerden und Symptome einer Reizung des Medianusnervs am Karpaltunnel im Handgelenk äußert. Die direkten und indirekten Kosten des CTS sind beträchtlich, wobei die Kosten für CTS-Operationen allein in den USA im Jahr 1995 auf zwei Milliarden US-Dollar geschätzt wurden. Lokale Kortikosteroidinjektionen werden seit vielen Jahren als nicht-chirurgische Behandlung des CTS eingesetzt, ihre Wirksamkeit ist jedoch umstritten.

Zielsetzungen: 

Bewertung des Nutzens und Schadens von Kortikosteroiden, die zur Behandlung des Karpaltunnelsyndroms in oder um den Karpaltunnel injiziert werden, im Vergleich zu keiner Behandlung oder einer Placeboinjektion.

Suchstrategie: 

Wir haben die üblichen, umfangreichen Cochrane-Suchmethoden verwendet. Die Recherchen fanden am 7. Juni 2020 und am 26. Mai 2022 statt.

Auswahlkriterien: 

Wir schlossen randomisierte kontrollierte Studien (RCTs) oder quasi-randomisierte Studien über Erwachsene mit CTS ein, die mindestens eine Vergleichsgruppe mit lokaler Kortikosteroidinjektion (LCI) in das Handgelenk und eine Gruppe, die ein Placebo oder keine Behandlung erhielt, umfassten.

Datensammlung und ‐analyse: 

Wir verwendeten die standardisierten Methoden von Cochrane. Unser primärer Endpunkt war 1. die Verbesserung der Symptome bei einer Nachbeobachtung von bis zu drei Monaten. Unsere sekundären Endpunkte waren 2. funktionelle Verbesserung, 3. Verbesserung der Symptome bei einer Nachbeobachtungszeit von mehr als drei Monaten, 4. Verbesserung der neurophysiologischen Parameter, 5. Verbesserung der bildgebenden Parameter, 6. Notwendigkeit einer Karpaltunneloperation, 7. Verbesserung der Lebensqualität und 8. unerwünschte Ereignisse. Der GRADE-Ansatz wurde genutzt, um die Vertrauenswürdigkeit der Evidenz zu beurteilen.

Hauptergebnisse: 

Wir schlossen 14 Studien mit 994 Teilnehmenden (Händen) mit CTS ein. Nur neun Studien (639 Teilnehmende/Hände) verfügten über quantitativ verwertbare Daten; diese Studien wiesen generell ein geringes Risiko für Verzerrungen auf, mit Ausnahme einer Studie mit recht hohem Risiko. Die Studien wurden in krankenhausbasierten Ambulanzen in Nordamerika, Europa, Asien und dem Nahen Osten durchgeführt. In allen Studien wurden die Symptome, die Funktion und die Lebensqualität anhand der von den Teilnehmenden angegebenen Ergebnisse gemessen.

Wahrscheinlich gibt es eine Verbesserung der Symptome bei einer Nachbeobachtungszeit von bis zu drei Monaten zugunsten von LCI (standardisierte mittlere Differenz (SMD) -0,77, 95 % Konfidenzintervall (KI) -0,94 bis -0,59; 8 RCTs, 579 Teilnehmende; moderate Vertrauenswürdigkeit der Evidenz). Bis zu sechs Monaten war diese Verbesserung noch deutlich zugunsten von LCI (SMD -0,58, 95% CI -0,89 bis -0,28; 4 RCTs, 234 Teilnehmende/Hände; moderate Vertrauenswürdigkeit der Evidenz).

Wahrscheinlich gibt es eine Verbesserung der Funktion, gemessen nach bis zu drei Monaten, zugunsten von LCI (SMD -0,62, 95% CI -0,87 bis -0,38; 7 RCTs, 499 Teilnehmer; moderate Vertrauenswürdigkeit der Evidenz). Wir sind uns nicht sicher, ob es einen Unterschied in der DML des Nervus medianus bei einer Nachbeobachtung von bis zu drei Monaten gibt (mittlere Differenz (MD) -0,37 ms, 95% CI -0,75 bis 0,02; 6 RCTs, 359 Teilnehmende/Hände; niedrige Vertrauenswürdigkeit der Evidenz). Die Notwendigkeit eines chirurgischen Eingriffs geht in der LCI-Gruppe nach einem Jahr wahrscheinlich leicht zurück (Risikoverhältnis 0,84, 95% CI 0,72 bis 0,98; 1 RCT, 111 Teilnehmende, moderate Vertrauenswürdigkeit der Evidenz). Die Lebensqualität, die bei der Nachbeobachtung nach bis zu drei Monaten mit dem Short-Form-6-Dimensions-Fragebogen (Skala von 0,29 bis 1,0; höher ist besser) gemessen wurde, verbesserte sich in der LCI-Gruppe wahrscheinlich leicht (MD 0,07, 95 % CI 0,02 bis 0,12; 1 RCT, 111 Teilnehmer; moderate Vertrauenswürdigkeit der Evidenz). Unerwünschte Ereignisse traten nur selten auf (niedrige Vertrauenswürdigkeit der Evidenz). In einer Studie wurde berichtet, dass 2/364 Injektionen zu starken Schmerzen führten, die nach "mehreren Wochen" abklangen, und dass 1/364 Injektionen eine "Sympathikusreaktion" mit einer kühlen, blassen Hand verursachten, die nach 20 Minuten vollständig abklang. In einer Studie (111 Teilnehmende) wurden keine schwerwiegenden unerwünschten Ereignisse gemeldet, aber 65 % der mit LCI Behandelten und 16 % der mit Placebo Behandelten litten unter leichten bis mäßigen Schmerzen, die weniger als zwei Wochen anhielten. Bei etwa 9 % der Teilnehmenden traten lokale Schwellungen auf, die weniger als zwei Wochen andauerten. Vier Studien (229 Teilnehmende) berichteten, dass in ihren Studien keine unerwünschten Ereignisse auftraten. In drei Studien (220 Teilnehmende) wurde nicht spezifisch über unerwünschte Ereignisse berichtet.

Anmerkungen zur Übersetzung: 

B. Schindler, T. Brugger, freigegeben durch Cochrane Deutschland

Tools
Information

Cochrane Kompakt ist ein Gemeinschaftsprojekt von Cochrane Schweiz, Cochrane Deutschland und Cochrane Österreich. Wir danken unseren Sponsoren und Unterstützern. Eine Übersicht finden Sie hier.