Kernaussagen
Bei Personen, die bereits an rheumatischem Fieber gelitten haben (eine Autoimmunreaktion des Körpers auf eine bakterielle Infektion) oder an einer rheumatischen Herzerkrankung leiden (eine langfristige Schädigung des Herzens infolge des rheumatischen Fiebers):
- verringert die langfristige Behandlung mit Antibiotika (entweder monatlich durch eine Injektion in den Muskel oder täglich als Tablette eingenommen) wahrscheinlich das Risiko, weitere Episoden des rheumatischen Fiebers zu bekommen, im Vergleich zu keiner Antibiotikabehandlung;
- verringern intramuskulär verabreichte Antibiotika wahrscheinlich das Fortschreiten (die Verschlechterung) einer frühen Herzerkrankung im Vergleich zu keiner Antibiotikabehandlung. Es gibt jedoch keine Evidenz für einen Vergleich zwischen intramuskulären und oralen Antibiotika in Bezug auf das Fortschreiten einer Herzerkrankung im Spätstadium;
- erhöhen Antibiotika möglicherweise nicht das Risiko von Komplikationen, wie einer schweren allergischen Reaktion (Anaphylaxie).
Was ist eine rheumatische Herzerkrankung?
Die rheumatische Herzerkrankung ist die weltweit häufigste Ursache für Herzkrankheiten bei jungen Menschen und verursacht jährlich den Tod von etwa 300.000 Menschen. Rheumatisches Fieber tritt oft aufgrund einer Halsentzündung auf. Dabei werden die körpereigenen Abwehrkräfte fehlgeleitet und greifen statt der Bakterien das Herz an. Dies kann dann zu einer Schädigung der Herzklappen (Durchgänge zwischen den Herzkammern) führen, die als rheumatische Herzerkrankung bezeichnet wird. Antibiotika töten Bakterien ab, die Infektionen verursachen können, und verringern so das Risiko, dass Menschen an rheumatischem Fieber erkranken.
Was wollten wir herausfinden?
Wir wollten herausfinden, ob und wenn ja, wie wirksam Antibiotika das Risiko eines erneuten Auftretens von rheumatischem Fieber und damit einer rheumatischen Herzerkrankung verringern.
Wie gingen wir vor?
Wir schlossen Studien ein, in denen Menschen mit früherem rheumatischem Fieber oder rheumatischer Herzerkrankung nach dem Zufallsprinzip Antibiotika erhielten oder nicht (z. B. basierend auf einem Münzwurf). Wir wollten zum einen die langfristige Behandlung mit Antibiotika mit keiner Antibiotika-Behandlung vergleichen und zum anderen die langfristige Behandlung mit intramuskulärem Penicillin mit der langfristigen Behandlung mit Penicillin zur Einnahme vergleichen. Die Teilnehmenden der einbezogenen Studien, die zuvor an rheumatischem Fieber oder einer rheumatischen Herzerkrankung litten, umfassten Personen jeden Alters. Wir untersuchten eine Vielzahl möglicher Ereignisse, die hätten eintreten können. Dazu gehörten das Wiederauftreten des rheumatischen Fiebers, das Fortschreiten der rheumatischen Herzerkrankung, Herzprobleme (Karditis), schwangerschafts- und geburtsbedingte Komplikationen (einschließlich fötaler/neonataler Ereignisse), Sterblichkeit, Therapietreue, schwerwiegende unerwünschte Wirkungen wie Anaphylaxie, Nervenschädigung sowie die Zufriedenheit der Teilnehmenden mit der Antibiotika-Behandlung.
Was fanden wir?
Wir fanden 11 Studien (3951 Teilnehmende), die uns bei der Beantwortung unserer Fragen halfen. Das durchschnittliche Alter der Studienteilnehmenden betrug 12,3 Jahre, und 50,6 % von ihnen waren männlich. Die meisten hatten bereits vorher Episoden von rheumatischem Fieber gehabt.
Wir stellten fest, dass die langfristige Behandlung mit Antibiotika (entweder monatlich in den Muskel gespritzt oder täglich als Tablette eingenommen) im Vergleich zu keiner Antibiotikabehandlung wahrscheinlich das Risiko verringert, weitere Episoden von rheumatischem Fieber zu bekommen. Die Injektion in einen Muskel wirkt wahrscheinlich besser als Tabletten. Bei Personen im Frühstadium einer rheumatischen Herzerkrankung, das bei einem Echokardiogramm des Herzens festgestellt wurde (eine Untersuchung, bei der Schallwellen verwendet werden, um die innere Struktur des Herzens zu sehen), verringert eine monatliche Injektion von Penicillin-Antibiotika in den Muskel im Vergleich zu einer Behandlung ohne Antibiotika wahrscheinlich das Risiko, dass sich diese Herzprobleme verschlimmern. Antibiotika, die in den Muskel gespritzt werden, verursachen möglicherweise im Vergleich zu keiner Antibiotikabehandlung nicht sehr häufig eine allergische Reaktion, die das Atmen beeinträchtigt (Anaphylaxie). Rötungen an der Injektionsstelle und allergische Reaktionen auf die Antibiotika treten wahrscheinlich häufiger auf. Es gab nur wenige Informationen über die Sterblichkeitsrate oder Nervenschädigungen und keine Evidenz dazu, ob eine Antibiotika-Injektion besser als Tabletten geeignet ist, um eine Verschlimmerung einer latenten (frühen) rheumatischen Herzerkrankung zu verhindern.
Was schränkt die Evidenz ein?
Die meisten der einbezogenen Studien (neun) wurden nicht in Ländern mit niedrigem Einkommen durchgeführt, in denen derzeit die meisten Fälle von rheumatischen Herzerkrankungen auftreten. Dadurch sind diese Ergebnisse für die Menschen in diesen Ländern möglicherweise weniger relevant. Es gibt nur sehr wenige Informationen zu anderen wesentlichen Aspekten, abgesehen vom Wiederauftreten des rheumatischen Fiebers oder dem Fortschreiten der rheumatischen Herzerkrankung. Die Evidenz wies noch einige andere potenzielle Einschränkungen auf: In sechs Studien gab es Probleme mit der Verblindung, das heißt, die Teilnehmenden oder das Studienpersonal waren darüber informiert, ob Antibiotika verabreicht wurden. Dies könnte dazu geführt haben, dass dieses Wissen die Antworten der Teilnehmenden beeinflusste. Es ist möglich, dass die Teilnehmenden vieler der einbezogener Studien wussten, welche Behandlung sie erhielten. Bei vier Studien gab es möglicherweise ein Problem mit dem Verfahren der zufälligen Einteilung der Teilnehmenden in die Behandlungsgruppen. Für einige der Ergebnisse dieses Reviews lag uns nur eine Studie vor.
Es bedarf mehr qualitativ hochwertiger Studien, die sich auf die Weltregionen konzentrieren, in denen rheumatisches Fieber derzeit am häufigsten vorkommt. Es wird auch mehr Forschung zu frühen (latenten) rheumatischen Herzkrankheiten benötigt, bei denen die größten Unterschiede auftreten könnten.
Wie aktuell ist die vorliegende Evidenz?
Die Evidenz ist auf dem Stand vom 10. März 2024. Dies ist zwar der aktuellste verfügbare Review, aber die meisten Studien in diesem Review stammen aus den 1950er bis 1960er Jahren. Einige Behandlungen sind also möglicherweise veraltet.
B. Schindler, F. Halter, freigegeben durch Cochrane Deutschland