Wie lange dauert es, bis die Ergebnisse von klinischen Studien veröffentlicht werden?

Welche Fragen werden in diesem Review untersucht?

Wie viele der klinischen Studien, die zur Untersuchung von Gesundheitsmaßnahmen durchgeführt werden, werden in Fachzeitschriften veröffentlicht? Wie lange dauert es, bis diese Studien veröffentlicht werden? Wird der Anteil veröffentlichter Studien und die Dauer bis zur Veröffentlichung durch die Art der Studienergebnisse, die Anzahl der Teilnehmenden und der Studienzentren oder die Finanzierungsquelle der Studie beeinflusst?

Kernaussagen

  • Fast die Hälfte (47 %) aller klinischen Studien bleibt unveröffentlicht.

  • Ob eine Studie veröffentlicht wird und wie lange eine Veröffentlichung dauert, hängt davon ab, ob die Ergebnisse positive sind, wie groß die Studie ist und ob sie mono- oder multizentrisch ist, und welche Art von Organisation die Studie finanziert hat.

Was sind Veröffentlichung und Publikationsbias?

Die Veröffentlichung der Ergebnisse klinischer Studien erfolgt in mehreren Schritten. Der Prozess beginnt mit der Durchführung einer klinischen Studie. Dann wird ein zusammenfassendes Dokument (Manuskript) geschrieben, das die Ziele, Methoden und Ergebnisse der Studie enthält. Das Manuskript wird an eine Zeitschriftenredaktion geschickt und anschließend von Redakteur*innen sowie von Gutachtenden geprüft und kommentiert. Gutachtende (Peer-Reviewer) haben Expertise im Thema des Manuskripts, waren aber nicht selbst an der Studie beteiligt. Wenn das Manuskript als korrekt und geeignet beurteilt wurde, wird es in einer Online- oder gedruckten Zeitschrift veröffentlicht. Dort kann es von Personen gelesen werden, die an den Ergebnissen interessiert sind. Manchmal muss für den Zugriff auf das Manuskript ein Abonnement bezahlt werden, oft ist es aber im „open access“ Format frei zugänglich. Wenn die Veröffentlichung der Ergebnisse einer Studie davon abhängt, ob diese Ergebnisse für die Intervention sprechen oder nicht, spricht man von einem „Publikationsbias“.

Der Publikationsbias ist ein Problem, weil er dazu führt, dass Menschen, die für sich selbst, ihre Angehörigen oder Patient*innen wichtige gesundheitsbezogene Entscheidungen treffen, nur unvollständige oder sogar irreführende Informationen zur Verfügung stehen. Wenn zum Beispiel negative Ergebnisse nicht veröffentlicht wurden, besteht die Gefahr, dass die Entscheidungstragenden nicht über mögliche unerwünschte Wirkungen im Zusammenhang mit der Intervention informiert sind.

Bei systematischen Reviews, in denen alle Evidenz zu einem Thema gesammelt wird, kann der Publikationsbias von Studien noch verstärkt werden. Dies ist besorgniserregend, da systematische Reviews eine bedeutende Grundlage für Entscheidungen und Maßnahmen im Gesundheitswesen sind. Systematische Reviews fassen die Ergebnisse mehrerer Studien zusammen, so dass Entscheidungen auf der Grundlage aller verfügbaren Daten getroffen werden können. Wenn jedoch einige Studien nicht veröffentlicht wurden und deshalb nicht berücksichtigt werden können, ist die Evidenz unvollständig und kann ungenau sein.

Wie können wir Publikationsbias vermeiden?

Die Ergebnisse aller klinischen Studien sollten veröffentlicht werden. Die Entscheidung über die Veröffentlichung sollte nicht von der Art der Ergebnisse oder anderen Faktoren abhängen.

Was wollten wir herausfinden?

Wir wollten herausfinden, wie viele Studien veröffentlicht werden. Außerdem wollten wir herausfinden, ob die Art der Ergebnisse, die Anzahl der Studienteilnehmenden und die Art der Organisation, die die Studie finanziert, einen Einfluss auf die Veröffentlichung und die Dauer bis zur Veröffentlichung haben.

Wie gingen wir vor?

Wir durchsuchten mehrere Gesundheitsdatenbanken nach Studien, die die Veröffentlichungsrate oder die Zeit bis zur Veröffentlichung der Ergebnisse klinischer Studien untersucht haben. Wir verglichen und fassten die Ergebnisse der Studien zusammen und bewerteten unser Vertrauen in die Evidenz auf der Grundlage der Studienmethoden.

Was fanden wir?

Wir fanden 204 Studien, die zwischen 1992 und 2023 veröffentlicht wurden und 165.135 Studien umfassten.

Die Studien zeigten, dass etwas mehr als die Hälfte (53 %) aller Studien ihre Ergebnisse in einer Fachzeitschrift veröffentlicht hatten. Studien wurden wahrscheinlicher veröffentlicht, wenn ihre Ergebnisse positiv waren, wenn sie vielen Teilnehmende hatten, wenn sie an mehreren Orten („Studienzentren“) durchgeführt wurden und wenn sie von einer nicht kommerziellen Organisation finanziert wurden. Die Zeit bis zur Veröffentlichung war kürzer bei Studien mit positiven Ergebnissen oder vielen Teilnehmenden oder wenn sie von einer nichtkommerziellen Organisation finanziert wurden.

Diese Evidenz hat wichtige Auswirkungen darauf, wann wir systematische Reviews durchführen sollten und wann der beste Zeitpunkt ist, sie zu aktualisieren. Das gilt vor allem bei systematischen Reviews, bei denen keine Anstrengungen unternommen werden, unveröffentlichte Evidenz einzubeziehen. Dies gilt insbesondere für Reviews, die nur eine kleine Anzahl von Studien enthalten.

Was schränkt die Evidenz ein?

Die Studien, die wir in diesen Review einbezogen haben, unterschieden sich hinsichtlich ihrer Methoden und der Art und Qualität der untersuchten Studien. In diesem Review werden diese Probleme anerkannt und erörtert, und es werden separate Analysen für Studien unterschiedlicher Art und Qualität vorgelegt.

Wie aktuell ist die vorliegende Evidenz?

Die Evidenz ist auf dem Stand von August 2023.

Anmerkungen zur Übersetzung: 

F. Halter, L. Gorenflo, freigegeben durch Cochrane Deutschland

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