Die Review-Autoren ermittelten, dass im Vergleich zu den chirurgischen Standardtechniken keine schwerwiegenden unerwünschten Ereignisse auftraten, jedoch erhöhen sie möglicherweise geringfügig die Rate moderater unerwünschter Ereignisse, und es ist unklar, ob es einen Unterschied im Auftreten geringfügiger unerwünschter Ereignisse gibt. Die Verwendung von Beschneidungsgeräten verringert möglicherweise die Eingriffsdauer um etwa 17 Minuten, eine klinisch bedeutsame Zeitersparnis. Für die Patienten resultiert eine apparative Beschneidung möglicherweise in geringeren Schmerzwerten während den ersten 24 Stunden nach dem Eingriff und sie sind damit im Vergleich zu den chirurgischen Standardtechniken möglicherweise geringfügig zufriedener. Kliniker, Patienten und Entscheidungsträger können die Ergebnisse dieses Reviews in Zusammenschau mit den für sie relevanten Kontextfaktoren als Grundlage nutzen, um für das jeweilige Gesundheitssystem die passendste Herangehensweise zu wählen. Studien von methodisch hoher Qualität sind notwendig, um mehr Gewissheit bezüglich der Raten unerwünschter Wirkungen und postoperativer Schmerzen bei apparativer im Vergleich zu chirurgischer Beschneidung zu erlangen.
Medizinisch indizierte Beschneidungen gehören zu den am häufigsten durchgeführten chirurgischen Eingriffen bei Männern. Gängige Indikationen sind Phimose (die Unfähigkeit, die Vorhaut aufgrund einer angeborenen oder erworbenen Kontraktion des Präputiums vollständig über die Glans zurückzuziehen), Paraphimose (Schwellung und Schmerzen im distalen Penis durch einen Schnürring, hervorgerufen durch die nicht über die Glans reponierte Vorhaut), Balanoposthitis (Rötung und Schwellung der Vorhaut und der Glans), sowie Balanitis (eine auf die Glans begrenzte Entzündung; die Vorhaut ist dabei üblicherweise nicht retrahierbar). Zur Verkürzung der Eingriffsdauer, Vereinfachung der Techniken sowie der Verbesserung der Sicherheit und der kosmetischen Ergebnisse sind Beschneidungsgeräte entwickelt worden. Diese Geräte zielen generell darauf ab, die Vorhaut zu quetschen und gleichzeitig eine Blutsperre zu bewirken. Die Vorhaut wird daraufhin exzidiert oder fällt von selbst ab. Die Verwendung solcher Geräte soll sicherer und einfacher reproduzierbar sein als die Standard-Beschneidungstechniken. Mindestens 20 Geräte für die männliche Beschneidung sind auf dem Markt, jedoch ist ihre Wirksamkeit bislang noch nicht in einem systematischen Review begutachtet worden.
Ziel dieses Reviews war es, die Wirksamkeit apparativer Beschneidungen im Vergleich zu den chirurgischen Standardtechniken bei jugendlichen und erwachsenen Männern (ab 10 Jahren) zu ermitteln.
Es wurde eine umfassende Literatursuche ohne Einschränkungen hinsichtlich der Sprache oder des Publikationsstatus durchgeführt. Gesucht wurde in den Datenbanken Cochrane Library, MEDLINE (PubMed), Embase, Web of Science, sowie in Studienregistern. Quellen grauer Literatur und Kongressberichte wurden ebenfalls einbezogen und bis zum 16. April 2020 durchsucht.
Eingeschlossen wurden randomisierte kontrollierte Studien, in denen apparative Beschneidungen (mit quetschenden oder Ligatur-basierten Geräten) mit chirurgischen (dissezierenden) Standard-Beschneidungstechniken verglichen wurden, durchgeführt von Fachpersonal in einer medizinischen Einrichtung.
Mindestens zwei Review-Autoren beurteilten unabhängig voneinander die Studien hinsichtlich deren Eignung für den Einschluss und extrahierten die Daten aus den eingeschlossenen Studien. Unerwünschte Ereignisse (Komplikationen) wurden unterteilt nach schwerwiegend, moderat oder geringfügig. Die Studienergebnisse wurden als relatives Risiko (RR) oder Mittelwertdifferenzen (mean difference, MD) mit 95%-Konfidenzintervallen (KI) und einem Random-Effects-Modell berichtet. Die Studienautoren wendeten das GRADE-Modell an, um die Vertrauenswürdigkeit der Evidenz insgesamt und für jeden Endpunkt einzeln zu bewerten.
Insgesamt erfüllten 18 Studien die Einschlusskriterien. Die Studien wurden in China, Südafrika, Kenia, Sambia, Mosambik, Ruanda, Uganda und Simbabwe durchgeführt.
Primäre Endpunkte
Schwerwiegende unerwünschte Ereignisse traten in keinem der Behandlungsarme auf (11 Studien, 3472 Teilnehmende).
Moderate unerwünschte Ereignisse: eine apparative Beschneidung führt, verglichen mit chirurgischen Standardtechniken, möglicherweise zu einem geringfügigen Anstieg moderater unerwünschter Ereignisse (RR 1.31, 95% KI 0.55 bis 3.10; I²= 68%; 10 Studien, 3370 Teilnehmer; niedrige Vertrauenswürdigkeit der Evidenz); dies entspricht acht unerwünschten Ereignissen mehr (zwischen 15 weniger bis 84 mehr) je 1000 Studienteilnehmende. Die Vertrauenswürdigkeit der Evidenz wurde aufgrund von Limitationen der Studien und der unzureichenden Präzision der Ergebnisse herabgestuft.
Sekundäre Endpunkte
Geringfügige unerwünschte Ereignisse: Die Unterschiede im Auftreten geringfügiger unerwünschter Ereignisse beim Vergleich von apparativen Techniken und chirurgischen Standardtechniken war unklar (RR 1.09, 95% KI 0.44 bis 2.72; I² = 91%; 10 Studien, 3370 Teilnehmer; sehr niedrige Vertrauenswürdigkeit der Evidenz). Die Vertrauenswürdigkeit der Evidenz wurde aufgrund von Limitationen der Studien, der unzureichenden Präzision der Ergebnisse und unerklärter Inkonsistenz herabgestuft.
Die Eingriffsdauer ist bei Verwendung eines Beschneidungsgerätes wahrscheinlich ungefähr 17 Minuten kürzer als bei chirurgischen Standardtechniken, was eine klinisch bedeutsame Verringerung der Eingriffsdauer darstellt (MD –17.26 Minuten, 95% KI –19.96 bis –14.57; I² = 99%; 14 Studien, 4812 Teilnehmer; moderate Vertrauenswürdigkeit der Evidenz). Die Vertrauenswürdigkeit der Evidenz wurde aufgrund von schwerwiegenden Limitationen der Studien herabgestuft. Die durchschnittliche Eingriffsdauer bei chirurgischer Standardtechnik beträgt im Allgemeinen ungefähr 24 Minuten.
Die Schmerzen in den ersten 24 Stunden nach dem Eingriff sind bei Verwendung von Beschneidungsgeräten im Vergleich zu chirurgischen Standardtechniken möglicherweise geringer (erhoben mit einer visuellen Analogskala [VAS]; MD 1.30 cm weniger, 95% KI 2.37 bis 0.22 cm weniger; I² = 99%; 9 Studien, 3022 Teilnehmer; niedrige Vertrauenswürdigkeit der Evidenz). Die Vertrauenswürdigkeit der Evidenz wurde aufgrund von Limitationen und der ungeklärten Heterogenität der Studien herabgestuft. Im Vergleich zu den chirurgischen Standardtechniken gibt es möglicherweise nur einen geringfügigen bis keinen Unterschied in den Schmerzen in den ersten sieben Tagen nach dem Eingriff (erhoben mit einer visuellen Analogskala VAS; MD 0.11 cm mehr, 95% KI 0.89 weniger bis 1.11 cm mehr; I² = 94%; 4 Studien, 1430 Teilnehmer; niedrige Vertrauenswürdigkeit der Evidenz). Die Vertrauenswürdigkeit der Evidenz wurde aufgrund von Limitationen und unerklärter Inkonsistenz in den Ergebnissen herabgestuft. Ein höherer Wert auf der VAS kennzeichnet stärkere Schmerzen.
Die Studienteilnehmer bevorzugen möglicherweise apparative Beschneidungen gegenüber chirurgischen Standardtechniken (RR 1.19, 95% KI 1.04 bis 1.37; I² = 97%; 15 Studien, 4501 Teilnehmer; niedrige Vertrauenswürdigkeit der Evidenz). Die Vertrauenswürdigkeit der Evidenz wurde aufgrund von Limitationen und unerklärter Inkonsistenz in den Ergebnissen herabgestuft. Die Zufriedenheit mit einer Technik wurde als dichotomer Wert erfasst. Höhere Raten kennzeichnen eine größere Zufriedenheit.
S. Graf, freigegeben durch Cochrane Deutschland.