Kernaussagen
- Wir fanden Evidenz dafür, dass psychologische oder soziale (zusammenfassend als "psychosoziale" bezeichnete) Interventionen möglicherweise die Symptome einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) und Depression bei Opfern von Vergewaltigungen, sexuellen Übergriffen und Missbrauch im Erwachsenenalter verringern.
- Unser Review deutet darauf hin, dass die Interventionen die Symptome nicht verschlimmern oder zu unerwünschten Wirkungen führen. Da jedoch eine große Anzahl von Teilnehmenden die Behandlungen abbrach oder die Bewertungen der Interventionen nicht abschloss, sind diese Ergebnisse unklar. Neuere Studien berichteten besser über die Sicherheit der Teilnehmenden und über die Gründe, warum die Betroffenen die Behandlungen oder die Bewertungen Ihrer Gesundheit nach den Interventionen nicht abgeschlossen haben.
- Da die Studien unterschiedliche Gruppen von Teilnehmenden einschlossen, sind weitere Forschungsarbeiten erforderlich, um besser zu verstehen, welche Interventionen für bestimmte Gruppen von Betroffenen am besten geeignet sind. Diese sollten auch Betroffene mit langfristigen oder komplexen Traumata sowie Männer und geschlechtsspezifische Minderheiten einschließen. Innovative Interventionen, die das Potenzial haben, die Behandlungsmöglichkeiten für Betroffene zu erweitern, sollten ebenfalls genauer untersucht werden.
Was sind "sexuelle Gewalt und sexueller Missbrauch"?
Sexuelle Gewalt und sexueller Missbrauch bedeutet jede sexuelle Aktivität oder Handlung, die ohne Zustimmung erfolgt. Dazu gehören Vergewaltigung, sexuelle Nötigung, sexueller Missbrauch und sexuelle Belästigung. Sie verursacht emotionale und körperliche Gesundheitsprobleme, die lang anhalten können. Die Auswirkungen werden oft durch Angst, Scham, Selbstvorwürfe und negative Reaktionen anderer verschlimmert.
Wie werden sexuelle Gewalt und sexueller Missbrauch behandelt?
Die Betroffenen brauchen nach einer Vergewaltigung, einem sexuellen Übergriff oder Missbrauch eine Reihe von Unterstützungsmaßnahmen für die körperliche und sexuelle Gesundheit sowie forensische Betreuung. Psychosoziale Interventionen können angesichts dieser Bedürfnisse in verschiedenen Phasen des Genesungsprozesses angeboten werden. Einige Interventionen zielen darauf ab, die Betroffenen behutsam mit Aspekten des ursprünglichen Traumas zu konfrontieren, um das Geschehene zu "verarbeiten" (z. B. Trauma-fokussierte kognitive Verhaltenstherapie, CBT). Andere Behandlungen konzentrieren sich weniger auf die traumatischen Erinnerungen, sondern helfen den Betroffenen, das Leben nach dem Missbrauch zu bewältigen (z. B. verschiedene Formen der Beratung, Aufklärung über psychische Gesundheit und Unterstützung bei einer Reihe von Bedürfnissen).
Was wollten wir herausfinden?
Wir wollten wissen, ob psychosoziale Interventionen dazu beitragen, die psychischen Folgen von Vergewaltigung, sexueller Nötigung oder sexuellem Missbrauch im Erwachsenenalter zu lindern. Wir wollten auch wissen, ob bestimmte Arten von Interventionen hilfreicher sind als andere.
Wie gingen wir vor?
Wir suchten nach Studien, in denen die Auswirkungen psychosozialer Maßnahmen für Personen, die ab dem 18. Lebensjahr Opfer einer Vergewaltigung, eines sexuellen Übergriffs oder sexuellen Missbrauchs geworden sind, mit einer Kontrollgruppe verglichen wurden. Die Kontrollgruppe entspricht Teilnehmenden, die nicht an der Maßnahme teilnahmen, sondern die Standardversorgung erhielten, auf eine Warteliste für eine Behandlung gesetzt wurden oder nur minimale Unterstützung, z. B. in Form von Broschüren, erhielten. Wir untersuchten die Unterschiede zwischen den Gruppen in Bezug auf Trauma- und Depressionssymptome nach der Teilnahme an der Intervention, dem Abbruch der Intervention (Nichtteilnahme) und unerwünschte Wirkungen im Zusammenhang mit der Intervention oder der Forschung.
Über die Studien und ihre Teilnehmenden
Wir fanden 36 Studien, in denen einwilligungsfähige erwachsene Teilnehmende zufällig einer Interventions- oder einer Kontrollgruppe zugeordnet wurden. Die Teilnehmenden wurden aus verschiedenen Bereichen eingeladen: in örtlichen Einrichtungen, an Universitäten, an Orten, an denen Menschen Hilfe für ihre psychische Gesundheit suchen, z. B. nach sexuellen Traumata oder sexueller Gewalt (spezialisierte Zentren für sexuelle Übergriffe), Notaufnahmen oder Kliniken der Primärversorgung sowie über Medienaufrufe. Die Studien umfassten 3992 Betroffene; nur 27 waren Männer. Sechzig Prozent der Teilnehmenden waren schwarz oder gehörten einer ethnischen oder kulturellen Minderheit an. Das Durchschnittsalter lag bei 36 Jahren, und fast alle hatten Symptome einer PTBS.
Die meisten Studien wurden in den USA durchgeführt (26); es gab zwei Studien aus Südafrika, zwei aus der Demokratischen Republik Kongo und jeweils eine Studie aus Australien, Kanada, den Niederlanden, Spanien, Schweden und dem Vereinigten Königreich. Fünf Studien machten keine Angaben zur Finanzierungsquelle; die übrigen Studien gaben öffentliche Mittel an.
Mehr als die Hälfte der Interventionen basierte auf CBT. Die Unterstützung wurde zumeist von ausgebildeten Fachkräften für psychische Gesundheit in Einzelgesprächen geleistet und reichte von einer bis zu 20 Sitzungen.
Was fanden wir?
Betroffene, die an einer psychosozialen Intervention teilnehmen, stellen möglicherweise bald nach Abschluss der Intervention einen deutlichen Rückgang der PTBS- und Depressionssymptome fest. Die Teilnehmenden der Interventionen brachen die Behandlung nicht häufiger ab als Teilnehmende der Kontrollgruppen. Dies beruht jedoch auf einer kleinen Anzahl von Studien. Psychosoziale Maßnahmen erhöhen das Risiko unerwünschter Wirkungen möglicherweise nicht. Nur sieben Studien berichteten über 21 unerwünschte Wirkungen, was darauf schließen lässt, dass die meisten Studien die negativen Auswirkungen der Interventionen (oder der Teilnahme an den Studien) nicht aktiv überwachten.
Was schränkt die Evidenz ein?
Wir haben wenig Vertrauen in die Ergebnisse, da es große Unterschiede zwischen den Studien gab (z. B. Vielfalt von Missbrauchserfahrungen, breites Spektrum von Interventionen und Größe der Studien). Es ist möglich, dass die Zuteilung der Betroffenen zu der einen oder anderen Gruppe nicht ganz zufällig erfolgte. Darüber hinaus könnten sich die Betroffenen, die die Interventionen abgebrochen haben, in wichtigen Punkten von denjenigen, die sie abgeschlossen haben unterscheiden (z. B. könnten sie unterschiedlich schwere Gesundheitsprobleme haben).
Wie aktuell ist die vorliegende Evidenz?
Die Evidenz ist auf dem Stand von Januar 2022.
T. Brugger, B. Schindler, freigegeben durch Cochrane Deutschland