Können psychologische oder weiterbildende Maßnahmen, einzeln oder in Kombination, Stürze bei älteren Erwachsenen, die zu Hause leben, reduzieren?

Kernaussagen

- Eine psychologische Intervention in Kombination mit einer maßgeschneiderten weiterbildenden Intervention hat wenig bis gar keinen Einfluss auf die Anzahl der Personen, die stürzen, reduziert aber wahrscheinlich die Anzahl der Stürze, wobei unklar ist, um wie viel. Bei der psychologischen Intervention handelte es sich um Coaching und um die motivierende Gesprächsführung, bei der durch Arbeit an Unsicherheiten und die Förderung von persönlichem Engagement Verhaltensweisen geändert werden. Die weiterbildenden Interventionen waren beispielsweise Beratungen zu Bewegung oder Medikamenten.

- Es gab nicht genügend hochwertige Evidenz, um die Wirkungen einzelner psychologischer oder weiterbildenden Interventionen bestimmen zu können.

Was wollten wir herausfinden?

Mit zunehmendem Alter steigt die Wahrscheinlichkeit, dass wir stürzen und uns dabei verletzen. Schätzungen zufolge stürzt jedes Jahr einer von drei älteren Erwachsenen. Stürze können sich auf die Unabhängigkeit und auf die Lebenszeit, die man in guter Gesundheit verbringt auswirken. Es gibt viele Gründe für Stürze. Durch Bewegung sowie durch Maßnahmen, die auf verschiedene Risikofaktoren (wie schwache Muskeln, Sehkraft, die Umgebung oder Medikamente) abzielen, können Stürze reduziert werden. Aus Sorge vor Stürzen schränken wir möglicherweise Aktivitäten und Bewegung ein, was wiederum unser Sturzrisiko erhöhen könnte. Psychologische Interventionen zielen darauf ab, die Angst vor Stürzen zu verringern, das Bewusstsein zu schärfen oder die Motivation zu erhöhen, Maßnahmen zur Sturzprävention zu ergreifen. Weiterbildende Maßnahmen zielen darauf ab, Menschen über Möglichkeiten zur Verringerung des Sturzrisikos zu informieren. Wir wollten untersuchen, ob psychologische oder weiterbildende Interventionen einzeln oder in Kombination dazu beitragen können, Stürze bei zu Hause lebenden älteren Erwachsenen, zu verringern.

Wie gingen wir vor?

Wir suchten nach Studien, in denen die folgenden Maßnahmen mit der üblichen Pflege für ältere, zu Hause lebende Erwachsene, verglichen wurden.

- Kognitive Verhaltenstherapie (eine Gesprächstherapie, in der Menschen neue Denk- und Verhaltensweisen erlernen, um ihre Probleme besser zu bewältigen).

- Motivierende Gesprächsführung (eine Methode, Personen zu einer Verbesserung ihres Verhaltens motivieren will, indem sie auf ihre Zweifel eingeht und sie zu persönlichem Engagement ermutigt).

- Andere psychologische Interventionen, z. B. geführte Imagination (eine Technik, bei der den Menschen beigebracht wird, ihre Vorstellungskraft zu nutzen, um negative Gefühle abzubauen) oder Coaching.

- Weiterbildung (angepasst an die Risikofaktoren einer Person; zu mehreren Themen wie Bewegung, Schuhwerk und Medikamenten; oder zu einem einzigen Thema wie der häuslichen Umgebung).

- Psychologische Intervention in Kombination mit Weiterbildung.

Wir verglichen und fassten die Ergebnisse zusammen und bewerteten unser Vertrauen in die Evidenz. Wir untersuchten folgende Endpunkte: Anzahl der Stürze; Anzahl der gestürzten Personen; Anzahl der Personen mit Sturz und Knochenbruch; Anzahl der Personen, die nach einem Sturz medizinische Hilfe benötigten; Krankenhauseinweisung, Angst vor Stürzen sowie unerwünschte Wirkungen.

Was fanden wir?

Wir fanden 37 Studien, an denen 17478 zu Hause lebende Menschen im Alter von Ende 60 bis Ende 80 teilnahmen. Davon waren 71 % Frauen. An der größten Studie nahmen 4667 Personen teil, an der kleinsten Studie 40 Personen. Die Studien wurden weltweit durchgeführt, vor allem aber in den USA (sechs Studien), im Iran (sechs Studien) und in Australien (fünf Studien). In fünfzehn Studien wurden die Teilnehmenden weniger als sechs Monate lang beobachtet, in 17 Studien 12 Monate oder länger. In den Studien wurden Weiterbildung (24 Studien), kognitive Verhaltenstherapie (sechs Studien), motivierende Gesprächsführung (drei Studien), andere psychologische Maßnahmen (drei Studien) oder eine psychologische Maßnahme in Kombination mit Weiterbildung (eine Studie) getestet. Achtundzwanzig Studien wurden mit öffentlichen Mitteln finanziert, beispielsweise durch Universitäten, Stipendien und Wohltätigkeitsorganisationen.

Hauptergebnisse

Wir fanden heraus, dass eine psychologische Intervention (motivierende Gesprächsführung/Coaching) in Kombination mit maßgeschneiderter Weiterbildung wenig bis gar keinen Unterschied in Bezug auf die Anzahl der gestürzten Personen (1 Studie, 430 Personen) und wahrscheinlich wenig bis gar keinen Unterschied in Bezug auf die Angst vor Stürzen macht (1 Studie, 353 Personen), aber wahrscheinlich die Anzahl der Stürze reduziert (obwohl unklar ist, wie klein oder groß diese Reduzierung ist; 1 Studie, 430 Personen). Eine Studie fand keine unerwünschten Wirkungen (430 Personen).

Wir fanden heraus, dass eine auf die Risikofaktoren einer Person angepasste Weiterbildung möglicherweise wenig bis gar keinen Einfluss auf die Anzahl der Stürze (2 Studien, 777 Personen) und auf sturzbedingte Knochenbrüche hat (2 Studien, 510 Personen), wobei die Evidenz hierzu unsicher ist. Eine Weiterbildung, die mehrere Themen abdeckt, verringert möglicherweise die Angst vor Stürzen (1 Studie, 459 Personen). Die Evidenz zur Wirkung einer weiterbildenden Maßnahme auf andere Endpunkte war entweder sehr unsicher oder wurde nicht untersucht.

Die kognitive Verhaltensmaßtherapie führt möglicherweise zu einem geringen bis gar keinem Unterschied bei der Anzahl der Stürze (4 Studien, 1286 Personen), aber möglicherweise zu einer leichten Verringerung der Angst vor Stürzen (3 Studien, 1132 Personen).

Die Evidenz für psychologische Interventionen war entweder sehr unsicher oder wurde für andere Endpunkte nicht bewertet.

Was schränkt die Evidenz ein?

Wir haben moderates bis hohes Vertrauen in unsere Ergebnisse zur kombinierten psychologischen und weiterbildenden Interventionen. Das liegt daran, dass die Ergebnisse aus einer großen und gut durchgeführten Studie stammen.

Bei allen anderen Interventionen sind wir weit weniger zuversichtlich, was unsere Ergebnisse angeht. Künftige Forschungsergebnisse könnten von diesem Review abweichen. Es gab Probleme mit dem Studiendesign und uneindeutigen Ergebnissen. In den bisherigen Studien wurden nicht alle Endpunkte gemessen, an denen wir interessiert waren.

Die meisten Studien wurden in einkommensstarken Ländern durchgeführt.

Wie aktuell ist die vorliegende Evidenz?

Die Evidenz ist auf dem Stand von 6. Juni 2023.

Anmerkungen zur Übersetzung: 

M. Zeitler, F. Halter, freigegeben durch Cochrane Deutschland

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