Welche psychologischen Ansätze in Fernbehandlung helfen Menschen mit chronischen Schmerzen bei der Verbesserung ihrer Symptome?

Kernaussagen

• Die kognitive Online-Verhaltenstherapie ist die am häufigsten in Fernbehandlung durchgeführte psychologische Therapie. Sie lindert möglicherweise Schmerzen und Beeinträchtigungen bei Menschen mit chronischen Schmerzen.

• Es ist weitgehend unklar, ob in Fernbehandlung durchgeführte psychologische Therapien die Lebensqualität verbessern oder negative Auswirkungen haben, da die Evidenz begrenzt ist und häufig von nicht ausreichender methodischer Qualität.

• Es werden mehr und bessere Studien zur Untersuchung von psychologischen Therapien in Fernbehandlung benötigt. Künftige Studien sollten ein breiteres Spektrum von Technologien und Therapien untersuchen und sich auf mögliche unerwünschte Auswirkungen konzentrieren.

Warum kommen psychologische Therapien bei chronischen Schmerzen in Fernbehandlung in Frage?

Chronische Schmerzen sind Schmerzen, die drei Monate oder länger andauern. Sie sind weit verbreitet und können das tägliche Leben und das Wohlbefinden der Betroffenen erheblich beeinträchtigen. Psychologische Therapien können nachweislich die Stimmung und schmerzbedingte Beeinträchtigungen verbessern. Der häufigste psychologische Ansatz bei chronischen Schmerzen ist die kognitive Verhaltenstherapie (KVT), die sich auf die Wechselbeziehung zwischen Gedanken, Gefühlen und Handlungen konzentriert, um die Bewältigung von Symptomen zu unterstützen.

Jedoch kann es schwierig sein, Zugang zu psychologischen Therapien zu erhalten. Die Zahl der Therapeut*innen, die diese Therapien anbieten, ist begrenzt. Zudem kann es für manche Menschen schwierig sein, zu den Therapiesitzungen zu gelangen. Technologien (wie Mobiltelefone, Computer und das Internet) können neue Möglichkeiten bieten, Betroffenen psychologische Therapien direkt in ihrer alltäglichen Umgebung ohne die physische Anwesenheit eines Therapeuten bzw. einer Therapeutin anzubieten. Dieser Ansatz (bekannt als Fernbehandlung) hat das Potenzial, mehr Menschen den Zugang zu einer Therapie zu ermöglichen.

Was wollten wir herausfinden?

Wir wollten herausfinden, ob psychologische Therapien in Fernbehandlung:

• Schmerzen, Einschränkungen und Lebensqualität (d. h. das gesamte Wohlbefinden) verbessern;

• unbeabsichtigt schädliche Auswirkungen haben können.

Wie gingen wir vor?

Wir suchten nach Studien, in denen psychologische Therapien in Fernbehandlung mit der üblichen Versorgung oder nicht-psychologischen Behandlungen (wie z. B. Schmerzaufklärung) verglichen wurden. Wir untersuchten die Studienergebnisse am Ende der Behandlung und bis zu einem Jahr danach.

Wir fassten die Ergebnisse der Studien zusammen, verglichen sie und bewerteten die Vertrauenswürdigkeit der Evidenz anhand von Faktoren wie der Studienmethodik und Größe der Studien.

Was fanden wir?

Wir fanden 32 Studien, an denen 4924 Menschen mit verschiedenen chronischen Schmerzzuständen wie Rückenschmerzen, Arthrose, Fibromyalgie und rheumatoider Arthritis teilnahmen. Das Durchschnittsalter lag zwischen 24 und 67 Jahren. Sofern die Teilnehmenden nach Beendigung der Behandlung nachuntersucht wurden, fand diese Nachuntersuchung zwischen 3 und 12 Monaten statt; Ergebnisse, die nach 12 Monaten erhoben wurden, haben wir nicht berücksichtigt. Die in die Auswertung einbezogenen Studien wurden in 11 Ländern durchgeführt, mehr als die Hälfte davon in Schweden (9), den USA (6) und Australien (5). Alle Studien wurden durch staatliche Zuschüsse oder Wohltätigkeitsorganisationen finanziert, mit Ausnahme einer Studie, die ihre Finanzierungsquelle nicht angab.

Die Studien untersuchten Behandlungen, die auf den psychologischen Therapien KVT (25 Studien) und Akzeptanz und Commitment-Therapie (ACT; 7 Studien) basieren. Eine der KVT-Studien umfasste eine zusätzliche Gruppe, die eine Intervention der Positiven Psychologie erhielt. Alle Therapien wurden online durchgeführt, mit Ausnahme einer Studie, die eine Smartphone-App verwendete.

Hauptergebnisse

Unsere Ergebnisse beziehen sich nur auf Therapien, die über das Internet durchgeführt werden, da in den Studien alternative Formen der Fernbehandlung nicht berücksichtigt wurden.

• Im Vergleich zur üblichen Behandlung (d. h. der üblicherweise verfügbaren Standardtherapie) verringert die Online-KVT wahrscheinlich Schmerzen und verringert möglicherweise Einschränkungen geringfügig. Es ist unklar, ob die Online-KVT die Lebensqualität verbessert oder unbeabsichtigt negative Auswirkungen hat.

• Im Vergleich zu nicht-psychologischen Schmerzbehandlungen (z. B. Schulungen, Online-Diskussionsforen) verringert die Online-KVT Schmerzen wahrscheinlich ebenfalls leicht. Bei der Lebensqualität und bei Einschränkungen gibt es allerdings wahrscheinlich nur einen geringen oder keinen Unterschied. Zudem ist es unklar, ob es unbeabsichtigt negative Auswirkungen gibt.

• Die Vorteile der Online-KVT im Vergleich zur herkömmlichen Behandlung sind 3 bis 12 Monate nach Ende der Behandlung wahrscheinlich nicht mehr vorhanden. Es ist unklar, ob dieses Ergebnis auch im Vergleich zu einer nicht-psychologischen Behandlung zutrifft.

Auch ist unklar, ob andere psychologische Therapien (wie ACT) zu Verbesserungen führen, da die vorliegenden Ergebnisse insgesamt sehr unsicher sind.

Was schränkt die Evidenz ein?

Die Vertrauenswürdigkeit der Evidenz ist moderat, dass sich die Schmerzen durch die Online-KVT am Ende der Behandlung reduziert haben. Diese Verbesserung ist jedoch nach 3 bis 12 Monaten nicht mehr vorhanden. Darüber hinaus ist die Vertrauenswürdigkeit der Evidenz moderat, dass nach Abschluss der Online-KVT bei der Nachuntersuchung kein Nutzen hinsichtlich Einschränkungen und Lebensqualität nachweisbar ist. Die Vertrauenswürdigkeit der Evidenz für die Akzeptanz und Commitment-Therapie ist niedrig bis sehr niedrig.

Drei Hauptfaktoren haben unser Vertrauen in die Evidenz eingeschränkt. Erstens, waren einige der Studien sehr klein oder es gab nicht genügend Studien, um sichere Ergebnisse zu erzielen. Zweitens, gab es nur wenige Studien zu einem Endpunkt und die Evidenz deckte nicht alle Schmerzformen ab, weshalb wir nicht davon ausgehen können, dass diese Ergebnisse für alle Arten von chronischen Schmerzen gelten. Drittens, waren die Ergebnisse der einzelnen Studien uneinheitlich.

Wie aktuell ist die vorliegende Evidenz?

Die Evidenz ist auf dem Stand vom 29. Juni 2022.

Anmerkungen zur Übersetzung: 

L. Gorenflo, B. Schindler, freigegeben durch Cochrane Deutschland

Tools
Information

Cochrane Kompakt ist ein Gemeinschaftsprojekt von Cochrane Schweiz, Cochrane Deutschland und Cochrane Österreich. Wir danken unseren Sponsoren und Unterstützern. Eine Übersicht finden Sie hier.