Hintergrund
Eine tiefe Venenthrombose (TVT) entsteht, wenn sich ein Blutgerinnsel in einer Beinvene bildet. Das Gerinnsel kann sich ablösen und in die Lunge wandern, was zu einer schwerwiegenden Blockade des Blutflusses (Lungenembolie) führen kann. Aufgrund der Schädigung der Beinvene kann sich in den nächsten Jahren jederzeit ein postthrombotisches Syndrom (PTS) entwickeln. Die Symptome reichen von Beinschmerzen über Schwellungen und Veränderungen der Hautpigmentierung bis zu Beingeschwüren mit entsprechenden Einschränkungen der Beweglichkeit. Zur Behandlung von TVT oder Blutgerinnseln in Beinvenen kommen für gewöhnlich Gerinnungshemmer (Antikoagulanzien) zum Einsatz. Diese verdünnen das Blut, verringern die Bildung von Blutgerinnseln und beugen einer Lungenembolie vor; trotzdem kann sich noch ein PTS entwickeln. Eine weitere Möglichkeit zur Behandlung von TVT ist die Thrombolyse. Dabei wird das Blutgerinnsel aufgelöst und Medikamente wie Streptokinase, Urokinase und Gewebsplasminogen-Aktivator in eine Arm- oder Fußvene infundiert. In einigen Fällen können diese Medikamente unter Röntgenkontrolle über einen Katheter direkt an den Ort des Gerinnsels gebracht werden. Um das Gerinnsel zu entfernen, können zudem auch chirurgische Techniken eingesetzt werden. Zu den möglichen Nebenwirkungen, die sowohl nach einer Antikoagulation als auch nach einer Thrombolyse auftreten können, gehören Blutungskomplikationen, Schlaganfälle oder Hirnblutungen.
Wir wollten herausfinden, ob für die Behandlung von Menschen mit akuter TVT Behandlungsstrategien, die zur Entfernung von Blutgerinnseln Thrombolyse und Antikoagulation kombinieren, besser geeignet sind als die alleinige Antikoagulation. Dafür haben wir die Evidenz aus Forschungsstudien ausgewertet.
Wie haben wir die Evidenz gefunden und bewertet?
Zunächst haben wir in der medizinischen Fachliteratur nach randomisierten kontrollierten Studien (RCTs) gesucht, d. h. nach klinischen Studien, bei denen Personen nach dem Zufallsprinzip einer von zwei oder mehr Behandlungsgruppen zugeteilt werden. Dieser Studientyp liefert die zuverlässigste Evidenz über die Wirkungen einer Behandlung. Daraufhin verglichen wir die Ergebnisse und fassten die Evidenz aus allen Studien zusammen. Abschließend bewerteten wir die Vertrauenswürdigkeit der Evidenz. Dafür berücksichtigten wir Faktoren wie Studiendurchführung, Studiengröße und Übereinstimmung der Ergebnisse zwischen den Studien. Auf der Grundlage unserer Bewertungen stuften wir die Vertrauenswürdigkeit der Evidenz als sehr niedrig, niedrig, moderat oder hoch ein.
Was haben wir gefunden?
Wir fanden 19 RCTs, die insgesamt 1943 Personen mit akuter TVT einschlossen, die entweder mit Thrombolyse oder mit Gerinnungshemmern behandelt wurden. Die Studien wurden in Belgien, Kanada, Dänemark, Ägypten, Frankreich, Deutschland, den Niederlanden, Norwegen, Südafrika, Schweden, der Schweiz, der Türkei, dem Vereinigten Königreich und den USA durchgeführt. An den Studien nahmen Männer und Frauen im Alter von 18 bis 75 Jahren teil, wobei der Anteil älterer Erwachsener höher war.
In unserem Review fanden wir Evidenz von moderater Vertrauenswürdigkeit, dass die Thrombolyse das Gerinnsel so wirksam auflöst, dass sein vollständiger Abbau häufiger auftrat als bei der Standardtherapie mit Gerinnungshemmern. Bei denjenigen, die eine Thrombolyse erhielten, traten mehr Blutungskomplikationen auf als bei der Standard-Gerinnungshemmung (6,7 % gegenüber 2,2 %). Die meisten Blutungen traten in den älteren Studien auf. Sechs Studien (1393 Teilnehmende) liefen länger als sechs Monate und ergaben, dass unter der Thrombolysebehandlung etwas weniger Menschen ein PTS entwickelten: 50% im Vergleich zu 53% in der Gruppe mit der Standard-Gerinnungshemmung. Zwei Studien (211 Teilnehmende), die länger als fünf Jahre liefen, zeigten, dass weniger Menschen ein PTS entwickelten, wenn sie mit Thrombolyse behandelt wurden. Strenge Einschlusskriterien scheinen die Sicherheit dieser Behandlung verbessert zu haben, wenn das Medikament mittels eines Katheters oder über den Blutkreislauf von einer anderen Vene aus direkt zum Gerinnsel gebracht wird. Wir haben keine Hinweise darauf gefunden, dass die Lage des Gerinnsels im Bein die Wahrscheinlichkeit, ein PTS zu bekommen, erhöht oder verringert. Künftige Studien sollten untersuchen, welche Methode zur Entfernung von Blutgerinnseln den größten Nutzen bezüglich patienten-relevanter Endpunkte wie PTS, Blutungen und Lebensqualität bietet.
Wie aktuell ist dieser Review?
Die Evidenz in diesem Cochrane Review ist auf dem Stand vom 21. April 2020.
C. Barth, E. von Elm, freigegeben durch Cochrane Schweiz