Atemphysiotherapie für Kinder im Alter von unter zwei Jahren mit akuter Bronchiolitis

Kernaussagen

Eine auf Techniken der „langsamen Ausatmung“ basierende Atemphysiotherapie kann möglicherweise die Schwere einer moderat ausgeprägten akuten Bronchiolitis bei Säuglingen und Kleinkindern verbessern.

Was ist eine akute Bronchiolitis, und welche Rolle spielt eine Atemphysiotherapie bei dieser Erkrankung?

Eine akute Bronchiolitis ist eine durch Viren verursachte Atemwegsinfektion, die häufig bei Säuglingen und Kleinkindern im Alter von unter zwei Jahren (im Folgenden „Kinder“ genannt) auftritt. Die meisten der betroffenen Kinder haben einen milden Krankheitsverlauf und benötigen keine spezielle medizinische Behandlung oder Behandlung im Krankenhaus. Bei mäßig schwerer oder schwerer Erkrankung kann es jedoch zu einer Flüssigkeitsansammlung in den Atemwegen (Schleimabsonderung) und zu Schwellungen (Ödemen) oder Verengungen der Atemwege (Bronchospasmen) kommen. Dies erschwert die Befreiung der Atemwege von Schleim (Atemwegssekreten).

Eine Atemphysiotherapie kann die Befreiung der Atemwege von Schleim unterstützen und die Atmung verbessern. Es gibt drei verbreitet angewendete Arten von atemtherapeutischen Techniken zur Befreiung der Atemwege von Schleim: Vibrations- und Perkussionstechniken, Techniken der „forcierten Ausatmung“ und Techniken der „langsamen passiven Ausatmung“. Darüber hinaus gibt es neuere Erkenntnisse zu Techniken der „rhinopharyngealen retrograden Clearance (RRC)“ und zu Techniken mit Nutzung von Atemtherapiegeräten zur Befreiung der Atemwege, jeweils allein oder in Kombination mit anderen atemtherapeutischen Techniken.

Was wollten wir herausfinden?

Ziel des Reviews war es, die Wirksamkeit einer Atemphysiotherapie bezogen auf die Linderung einer akuten Bronchiolitis bei Kindern im Alter von 0 bis 24 Monaten zu bewerten. Zudem sollte die Wirksamkeit der verschiedenen atemtherapeutischen Techniken bewertet werden.

Wie gingen wir vor?

Wir suchten nach allen randomisierten kontrollierten Studien (einem Studientyp, bei dem die Teilnehmenden nach dem Zufallsprinzip einer von zwei oder mehr Behandlungsgruppen zugeteilt werden), in denen atemtherapeutische Maßnahmen mit einer anderen Behandlung oder einer anderen Art von Physiotherapie verglichen wurden, und bewerteten ihre Wirksamkeit in Abhängigkeit von der Art der Technik und dem Schweregrad der Bronchiolitis.

Was fanden wir?

Wir schlossen 17 Studien mit insgesamt 1679 Kindern in den Review ein. In fünf Studien (246 Kinder) wurden Vibrations- und Perkussionstechniken (eine herkömmliche Atemphysiotherapie), in drei Studien (628 Kinder) Techniken der „forcierten Ausatmung“ und in neun Studien (805 Kinder) Techniken der „langsamen Ausatmung“ untersucht. In zwei Studien (80 Kinder) wurden Techniken mit Nutzung von Atemtherapiegeräten untersucht, in drei Studien (216 Kinder) eine „rhinopharyngeale retrograde Clearance“ (in zwei davon, mit 116 Kindern, in Kombination mit Techniken der „langsamen Ausatmung“). Die Erkrankungsschwere der Kinder war in einer Studie leicht, in vier Studien schwer, in sechs Studien mäßig schwer und in fünf Studien eine Mischung aus leicht bis mäßig schwer. In einer Studie wurde die Erkrankungsschwere der Kinder nicht angegeben. Zwei Studien wurden ambulant durchgeführt (das heißt, die Kinder wurden nicht im Krankenhaus behandelt), die übrigen stationär (das heißt, die Kinder wurden im Krankenhaus behandelt).

Wir fanden keine Wirkung einer herkömmlichen Atemphysiotherapie auf den Schweregrad der Erkrankung bei Kindern mit mäßig schwerer Bronchiolitis. Die Anwendung von Techniken der „forcierten Ausatmung“ zeigte zudem keine Wirkung auf die Schwere der Bronchiolitis bei schwer erkrankten Kindern, während gleichzeitig bedeutsame unerwünschte Wirkungen auftraten. Unser Vertrauen in diese Evidenz ist hoch. Es ist unwahrscheinlich, dass neue Studien diese Ergebnisse verändern werden. Die Anwendung von Techniken der „langsamen Ausatmung“ zeigte eine leichte bis mäßige Verbesserung des Schweregrads der Bronchiolitis, vor allem bei mäßig schwerer Bronchiolitis. Dieses Ergebnis basiert auf Evidenz von niedriger Vertrauenswürdigkeit (was bedeutet, dass weitere Studien dieses Ergebnis möglicherweise verändern werden). Zudem ergab eine Studie, dass die Anwendung von Techniken der „langsamen Ausatmung“ bei Kindern mit mäßig schwerer Bronchiolitis die Genesungszeit verkürzten. Für andere klinische Endpunkte wie die Dauer eines Krankenhausaufenthalts, die Dauer einer Sauerstoffgabe, die Verwendung von Bronchodilatatoren (Arzneimitteln, die die Atemwege erweitern) oder die Einschätzung der Eltern zum Nutzen einer Atemphysiotherapie wurden keine Wirkungen beobachtet bzw. berichtet.

Was schränkt die Evidenz ein?

Trotz der positiven Wirkungen, die für einige Arten von Atemphysiotherapie ermittelt wurden, waren die meisten Studien schlecht konzipiert, was die Vertrauenswürdigkeit und Zuverlässigkeit der Ergebnisse einschränkt. Für einige Techniken ist die Evidenz für ihre Wirkung von niedriger Vertrauenswürdigkeit. Darüber hinaus sind größere Teilnehmendenzahlen, längere Behandlungszeiträume und eine angemessene Berichterstattung zum Auftreten von unerwünschten Ereignissen erforderlich, bevor sichere Schlussfolgerungen formuliert werden können.

Die Evidenz für die seit längerem bzw. verbreitet angewendeten Arten von Atemphysiotherapie (Vibration und Perkussion und forcierte Ausatmung) bei stationär behandelten Kindern ist robust. Die Evidenz für die Techniken der langsamen Ausatmung ist begrenzt. Für die neuesten Techniken („rhinopharyngeale retrograde Clearance“ und Techniken mit Nutzung von Atemtherapiegeräten zur Befreiung der Atemwege), die bislang nur in wenigen Studien untersucht wurden gibt es nur Erfahrungsberichte („anekdotische“ Evidenz) zu ihrer Wirksamkeit. Es gibt nur sehr wenig Evidenz für die Wirksamkeit einer Atemphysiotherapie bei ambulant behandelten Kindern.

Wie aktuell ist die vorliegende Evidenz?

Die Evidenz ist auf dem Stand vom 20. April 2022.

Anmerkungen zur Übersetzung: 

C. Braun, B. Schindler, freigegeben von Cochrane Deutschland.

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