Unter Gesundheitskompetenz versteht man das Wissen, die Motivation und die Fähigkeiten (z. B. Lese- und Schreibfähigkeiten), die Menschen benötigen, um Gesundheitsinformationen zu finden, zu verstehen, zu bewerten und zu nutzen. Menschen mit Migrationserfahrung haben eher Probleme mit der Gesundheitskompetenz (z. B. wenn sie das Gesundheitssystem des Landes nicht gut kennen).
„Allgemeine“ Gesundheitskompetenz bedeutet, dass Menschen allgemeine Gesundheitsinformationen finden, verstehen und nutzen können, um gesundheitsbezogene Entscheidungen zu treffen. „Krankheitsspezifische“ Gesundheitskompetenz bedeutet, dass Menschen Informationen über eine bestimmte Krankheit finden, verstehen und nutzen können oder dass sie die Symptome einer Krankheit kennen oder die Behandlungsmöglichkeiten verstehen.
Kernaussagen
Wir haben moderates bis niedriges Vertrauen in diese Ergebnisse, dass bestimmte Gesundheitskompetenzinterventionen geringe bis moderate positive Auswirkungen auf die Gesundheitskompetenz von Menschen mit Migrationserfahrung haben. Das bedeutet, dass diese Interventionen dazu beitragen können, dass Menschen ihre Kenntnisse verbessern, medizinische Begriffe erkennen und verstehen oder Gesundheitsinformationen besser nutzen können.
Es besteht ein Bedarf an größeren, gut konzipierten Studien, die die langfristigen Auswirkungen von Gesundheitskompetenzinterventionen bei Menschen mit Migrationserfahrung messen.
Was wollten wir herausfinden?
Unser Hauptziel war es, herauszufinden, ob Gesundheitskompetenzinterventionen Menschen mit Migrationserfahrung helfen können, ihre Gesundheitskompetenz zu verbessern. Wir wollten auch herausfinden, ob Frauen oder Männer mit Migrationserfahrung mehr von diesen Interventionen profitieren.
Wie gingen wir vor?
Wir haben nach Studien gesucht, die sich mit Maßnahmen zur Verbesserung von Gesundheitskompetenz bei Menschen mit Migrationserfahrung befassen. Diese Interventionen wurden mit 1) keiner Gesundheitskompetenzintervention (z. B. Standardversorgung), 2) schriftlichen Informationen zum gleichen Gesundheitsthema (z. B. Kurzbroschüre), 3) einer nicht verwandten Gesundheitskompetenzintervention (die Teilnehmenden erhielten eine ähnliche Intervention, die sich jedoch mit einem anderen Gesundheitsthema befasste) oder 4) einer anderen Gesundheitskompetenzintervention (die Teilnehmenden erhielten eine andere Intervention, wobei sich die Informationen auf das gleiche Gesundheitsthema bezogen) verglichen.
Die eingeschlossenen Studien maßen Gesundheitskompetenz entweder als Gesamtkonzept oder nur Komponenten davon (z. B. das Verstehen von Gesundheitsinformationen). Wir haben die Ergebnisse der Studien verglichen, mit statistischen Methoden zusammengefasst und unser Vertrauen in die Evidenz bewertet, basierend auf Faktoren wie Studienmethoden.
Was fanden wir?
Wir fanden 34 Studien, an denen 8249 Menschen mit Migrationserfahrung mit einem breiten Spektrum von Gesundheitszuständen teilnahmen. Alle Studien wurden in einkommensstarken Ländern durchgeführt. Alle Maßnahmen wurden an die Kultur, die Sprache und das Lese- und Rechtschreibniveau der Teilnehmenden angepasst. In keiner der Studien wurde berichtet, dass Gesundheitskompetenzinterventionen Schaden verursachen, wobei nur zwei Studien über mögliche Schäden (Ängste) berichteten. Viele Studien berichteten über kurzfristige Ergebnisse (bis zu sechs Wochen nach Beendigung der Intervention). Es gab auch mehrere Ergebnisse zu späteren Zeitpunkten (die nur im Abstract vorgestellt werden).
Verglichen mit keiner oder einer nicht verwandten Gesundheitskompetenzintervention:
Strukturierte Selbstmanagementprogramme (SMP) (langfristige Programme mit gruppenbasierten Gesundheitskompetenzkursen und persönlicher Unterstützung) verbessern wahrscheinlich die Selbstwirksamkeit im Umgang mit der eigenen Krankheit etwas (was bedeutet, dass die Teilnehmenden mehr Vertrauen in ihre Fähigkeiten hatten, auf Gesundheitsinformationen zu reagieren). SMP verbessern möglicherweise auch die krankheitsspezifische Gesundheitskompetenz und das Gesundheitsverhalten geringfügig, haben aber kaum Auswirkungen auf das Wissen oder die selbst bewertete Gesundheit. Wir wissen nicht, ob SMP die Lebensqualität oder die Inanspruchnahme von Gesundheitsdienstleistungen verbessern.
Kurse zum Aufbau von Gesundheitskompetenzen (Gruppenunterricht, in dem die Teilnehmenden beispielsweise lernen, was sie zur Vorbeugung einer Krankheit tun können) können das Wissen und die allgemeine Gesundheitskompetenz verbessern, haben aber kaum Auswirkungen auf die Depressionskompetenz oder das Gesundheitsverhalten. Wir wissen nicht, ob sie die Lebensqualität, die Gesundheitsergebnisse, die Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen oder die Selbstwirksamkeit verbessern.
Audiovisuelle Edukation ohne persönliches Feedback (einschließlich Videoschulung, interaktiver Touchscreens oder gedruckter Bildergeschichten) verbessert wahrscheinlich die Depressionskompetenz und die Inanspruchnahme von Gesundheitsdienstleistungen. Audiovisuelle Edukation verbessert möglicherweise die Selbstwirksamkeit und geringfügig das Wissen und die Absicht, eine Depressionsbehandlung in Anspruch zu nehmen, hat aber möglicherweise nur geringe Auswirkungen auf das Gesundheitsverhalten oder Depressionen. Keine Studie berichtete über die Lebensqualität.
Angepasste medizinische Anleitungen (medizinische Anleitungen in einfacher Sprache, mit Illustrationen oder Bildern) verbessern das Verständnis von Gesundheitsinformationen möglicherweise, haben aber möglicherweise nur geringe Auswirkungen auf die Therapietreue. Keine Studie berichtete über Lebensqualität, Gesundheitszustand, Wissen, Inanspruchnahme von Gesundheitsdienstleistungen oder Selbstwirksamkeit.
Im Vergleich zu schriftlichen Informationen:
SMP verbessern wahrscheinlich die Medienkompetenz, die Selbstwirksamkeit sowie die Gesundheitskompetenz geringfügig. SMP verbessert möglicherweise die krankheitsspezifische Gesundheitskompetenz, Wissen und einige Gesundheitsverhaltensweisen, haben aber nur geringe Auswirkungen auf die Beurteilung von Gesundheitsinformationen. Wir wissen nicht, ob SMP die Lebensqualität, den Gesundheitszustand oder die Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen verbessern.
Audiovisuelle Edukation hat wahrscheinlich kaum Auswirkungen auf die Gesundheitskompetenz in Bezug auf Diabetes, verbessert aber wahrscheinlich die Beurteilung und Anwendung von Informationen. Außerdem verbessert sie möglicherweise den Wissensstand geringfügig. Keine Studie berichtete über Lebensqualität, Depression, Gesundheitsverhalten, Selbstwirksamkeit oder Inanspruchnahme von Gesundheitsdienstleistungen.
Vergleich zwischen zwei verschiedenen Formen der audiovisuelle Edukation
Wir sind uns nicht sicher, ob erzählende Videos besser sind als Videos mit Faktenwissen, da die Evidenz sehr unsicher war.
Profitieren Frauen und Männer mit Migrationserfahrung unterschiedlich von Gesundheitskompetenzinterventionen?
Die Gesundheitskompetenz in Bezug auf Diabetes verbessert sich bei Frauen mit Migrationserfahrung nach der audiovisuellen Edukation möglicherweise etwas stärker als bei Männern mit Migrationserfahrung. Für andere Vergleiche und Ergebnisse haben wir entweder keine Evidenz gefunden oder wir sind uns über die Ergebnisse unsicher.
Was schränkt die Evidenz ein?
Es ist möglich, dass die Teilnehmenden an einigen Studien wussten, welche Behandlung sie erhielten. Außerdem wurden die Studien an Menschen mit Migrationserfahrung aus verschiedenen Regionen und mit unterschiedlichen Gesundheitszuständen durchgeführt. Einige Studien umfassten nur wenige Personen.
Wie aktuell ist die vorliegende Evidenz?
Dieser Review ist auf dem Stand vom 2. Februar 2022.
L. Gorenflo, T. Brugger, B. Schindler, freigegeben durch Cochrane Deutschland