Behandlungen für Menschen mit Blasenschmerzsyndrom

Was ist das Blasenschmerzsyndrom?

Das Blasenschmerzsyndrom (engl. bladder pain syndrome, BPS; auch als schmerzhaftes Blasensyndrom oder interstitielle Zystitis bezeichnet) ist ein langfristiger schmerzhafter Zustand, der die Blase betrifft. Das Wort „Syndrom“ bezeichnet mehrere Symptome, die zusammen auftreten. Bei BPS gehören zu diesen Symptomen: starke Schmerzen im Becken (unterhalb des Bauchnabels zu spüren), plötzlicher starker Harndrang, Harndrang öfter als gewöhnlich und mehrmaliges Aufwachen während der Nacht zum Wasserlassen.

BPS tritt häufiger bei Frauen auf. Wir wissen nicht, was die Ursache dafür ist oder wie man es heilen kann. Die Symptome kommen und gehen manchmal phasenweise. BPS kann sich erheblich auf Lebensgewohnheiten, die Arbeit, die emotionale Gesundheit und Beziehungen auswirken.

Behandlungen bei Blasenschmerzsyndrom

In der Regel wird zuerst versucht, den Lebensstil zu ändern, erst dann wird mit Medikamenten und unterstützenden Therapien behandelt. Eine Operation kann als letzte Möglichkeit erforderlich sein.

Zu den verwendeten Medikamenten gehören Pentosanpolysulfat-Natrium, das bei der Wiederherstellung der inneren Oberfläche der Blase helfen kann, Entzündungshemmer, Antidepressiva und Antihistaminika. Medikamente, die die Verbindung zwischen Nerven und Muskeln blockieren, können in den Blasenmuskel injiziert werden, um zu versuchen, ihn zu entspannen ("neuromuskuläre Blockade"). Zu den unterstützenden Therapien und Behandlungen gehören Verhaltenstherapie, Physiotherapie, Blasentraining, psychologische Therapie und transkutane elektrische Nervenstimulation (TENS).

Fragestellung des Reviews

In diesem Cochrane-Review wollten wir herausfinden, welche Behandlungen des Blasenschmerzsyndroms am besten wirken.

Wie sind wir vorgegangen?

Wir suchten nach Studien, die sich mit jeglicher Behandlung des Blasenschmerzsyndroms befassten. Wir suchten nach randomisierten kontrollierten Studien, in denen nach dem Zufallsprinzip entschieden wird, welche Behandlung die Patienten erhalten, da diese Studien in der Regel die zuverlässigste Evidenz zu den Behandlungen liefern.

Datum der Suche

Wir schlossen Evidenz ein, die bis zum 11. Mai 2018 veröffentlicht wurde. Am 5. Juni 2019 führten wir eine weitere Literatursuche durch, die vier kleine Studien lieferte, welche auf ihre Eignung geprüft wurden, aber nicht in den Review einbezogen wurden.

Was wir gefunden haben

Wir fanden 81 Studien, die 4674 Menschen mit Blasenschmerzsyndrom einschlossen. Die größte Studie umfasste 369 Personen, die kleinste Studie 10 Personen. Die meisten Studien dauerten etwa drei Monate; nur sechs Studien dauerten 12 Monate oder länger. Vierundzwanzig Studien wurden von Pharmaunternehmen finanziert.

Wir fanden 65 Behandlungen für BPS, die wir je nach Wirkungsweise der Behandlungen in 31 Kategorien einteilten. In den meisten Studien wurde eine Behandlung von BPS mit einer Placebo- (auch Schein)-Behandlung verglichen. Wir verglichen alle Behandlungen miteinander unter Verwendung einer mathematischen Methode, der so genannten Netzwerk-Metaanalyse.

Was sind die Ergebnisse unseres Reviews?

Nach 12 Monaten könnten Antidepressiva oder eine neuromuskuläre Blockade (und einige andere Behandlungen) die Symptome des BPS stärker verbessern als ein Placebo, aber wir sind uns über dieses Ergebnis nicht sicher. Wir fanden nicht genügend Evidenz, um zu wissen, ob Pentosanpolysulfat-Natrium die Symptome verbessert.

Wir sind unsicher, ob eine 12-monatige Behandlung mit Antidepressiva, neuromuskulärer Blockade oder Pentosanpolysulfat-Natrium die Schmerzen (gemessen auf einer Skala), die Häufigkeit des Harndrangs am Tag oder des Aufwachens in der Nacht, um Wasser zu lassen, reduziert hat.

Unser Vertrauen in die Ergebnisse

Wir sind uns bezüglich unserer Ergebnisse unsicher, weil wir nicht genug zuverlässige Evidenz gefunden haben. Obwohl wir Ergebnisse aus 81 Studien zur Verfügung hatten, waren die meisten dieser Studien klein und umfassten nicht genügend Personen, um uns ihrer Ergebnisse sicher sein zu können. Einige der Studien (30 %) wurden von pharmazeutischen Unternehmen durchgeführt, was sich möglicherweise darauf ausgewirkt hat, wie die Studien konzipiert, durchgeführt und berichtet wurden. Unsere Ergebnisse könnten sich ändern, sobald Ergebnisse aus mehr und größeren Studien vorliegen.

Schlussfolgerungen

Wir fanden nicht genügend zuverlässige Evidenz dafür, wie gut Medikamente, Verhaltenstherapie, Physiotherapie und neuromuskuläre Blockade zur Behandlung aller oder einiger der Symptome von BPS funktionieren.

Schlussfolgerungen der Autoren: 

Für die Review-Autoren konnte die Wirksamkeit einiger Behandlungen für Patienten mit BPS nicht sicher dargestellt werden, da die Vertrauenswürdigkeit der Evidenz generell niedrig bis sehr niedrig war. Da die Anzahl an Studien relativ hoch war, waren viele Daten verfügbar, die extrahiert werden konnten. Allerdings war die Stichprobengrößen bei vielen Studien klein, sodass die Wirksamkeit der Behandlungen oftmals nicht präzise beurteilt werden konnte (ungenaue Effektschätzungen). Die Netzwerk-Metaanalyse konnte erfolgreich durchgeführt werden, jedoch beeinträchtigte die kleine Anzahl an Studien in jeder Behandlungskategorie die Möglichkeit, alle Vorteile dieser Analyseform auszuschöpfen. Größere, fokussiertere Studien sind erforderlich, um die aktuelle Evidenzbasis zu verbessern.

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Hintergrund: 

Das Blasenschmerzsyndrom (engl. bladder pain syndrome, BPS), das auch die interstitielle Zystitis (IC) umfasst, ist ein bislang unzureichend verstandenes klinisches Beschwerdebild, im Rahmen dessen sich Patienten mit verschiedenen Symptomen präsentieren. Die Behandlung des BPS ist sowohl für Patienten als auch für Ärzte herausfordernd. Zurzeit gibt es keine allgemein anerkannte Diagnose und es werden verschiedene Ursachen diskutiert. Dies spiegelt sich wider in einer Breite an Behandlungsoptionen, die, einzeln oder in Kombination, und mit begrenzter Evidenz, eingesetzt werden. Eine Netzwerk-Metaanalyse (NMA), mit der mehrere Behandlungen gleichzeitig verglichen werden, könnte dazu beitragen, die besten Therapieoptionen für Patienten mit BPS zu ermitteln.

Zielsetzungen: 

Ziel dieses Reviews war die Durchführung einer Netzwerk-Metaanalyse zur Begutachtung der Effekte verschiedener Interventionen zur Behandlung von Patienten mit BPS.

Suchstrategie: 

Wir durchsuchten am 11. Mai 2018 das Cochrane Incontinence Specialised Register, das Studien aus dem Cochrane Central Register of Controlled Trials (CENTRAL, in der Cochrane Library), MEDLINE, MEDLINE In-Process, MEDLINE Epub Ahead of Print, ClinicalTrials.gov sowie der World Health Organization International Clinical Trials Registry Platform (WHO ICTRP) enthält, und führten eine Handsuche in ausgewählten Journals, von Kongressbeiträgen und den Referenzlisten relevanter Fachartikel durch. Am 5. Juni 2019 führten wir eine weitere Literatursuche durch, die vier kleine Studien lieferte, welche auf ihre Eignung geprüft wurden, aber nicht in den Review einbezogen wurden.

Auswahlkriterien: 

Die Review-Autoren schlossen randomisierte kontrollierte Studien (RCTs) und quasi-randomisierte kontrollierte Studien (quasi-RCTs) zu Interventionen zur Behandlung von Erwachsenen mit BPS ein. Für den Einschluss wurden alle Arten von Interventionen (konservative, pharmakologische und chirurgische) berücksichtigt.

Datensammlung und ‐analyse: 

Das Risiko für Bias bei eingeschlossenen Studien wurde mit dem Cochrane ‚Risk of bias‘-Instrument bewertet. Die primären Endpunkte waren die Anzahl an Patienten, die eine Heilung oder Linderung erfuhren, sowie Schmerzen, die Harndrang-Frequenz sowie nächtlicher Harndrang. Für jeden Endpunkt wurden Random-Effects-Netzwerk-Metaanalyse-Modelle mittels der Software WinBUGS 1.4 berechnet. Die Review-Autoren betrachteten die medianen Chancenverhältnisse (odds ratios; ORs) für binäre Endpunkte sowie die Mittelwertdifferenzen (mean differences; MDs) für kontinuierliche Endpunkte, mit den dazugehörigen 95%igen Glaubwürdigkeitsintervallen (credible intervals; CrIs). Die Ergebnisse der Netzwerk-Metaanalyse wurden der direkten Evidenz aus paarweisen Metaanalysen von Studien zu direkten Vergleichen gegenübergestellt. Die Vertrauenswürdigkeit der Evidenz in den ausgewählten Behandlungskategorien wurde mit dem CINeMA-Tool bewertet.

Hauptergebnisse: 

Die Review-Autoren schlossen 81 RCTs mit insgesamt 4674 Teilnehmern ein, wobei die mittlere Teilnehmerzahl bei 38 Teilnehmern (Range 10 bis 369) je RCT lag. Die meisten Studien verglichen die Intervention mit einer Kontrollgruppe, nur wenige verglichen zwei aktive Behandlungen. Es gab 65 unterschiedliche Behandlungen, und die Ergebnisse einiger Vergleiche entstammten der direkten Evidenz aus nur einer Studie. Zur Vereinfachung wurden die Behandlungen nach ihrer Wirkweise in 31 Kategorien eingeteilt. Ein Großteil der Studien wies in den meisten Bias-Domänen ein unklares oder hohes Risiko für Bias auf, insbesondere für Selektions- oder Detektionsbias. Zusammengefasst erbrachte die Netzwerk-Metaanalyse Hinweise darauf, dass sechs (bezogen auf den Anteil an Heilung/Verbesserung der Beschwerden), eine (Schmerz), eine (Häufigkeit des Harndrangs) sowie keine (nächtlicher Harndrang) Behandlungskategorien im Vergleich zu den Kontrollgruppen wirksam waren, es bestand jedoch eine große Unsicherheit bezogen auf die Effektschätzungen.

Aufgrund der hohen Anzahl an Interventionsvergleichen in diesem Review konzentrierten sich die Autoren auf drei Interventionen: Antidepressiva (AD), Pentosan Polysulfat (PPS) sowie die neuromuskuläre Blockade. Diese Auswahl ergab sich aus der starken Empfehlung für diese Verfahren in den EAU-Leitlinien zur Behandlung des Blasenschmerzsyndroms (EAU Guidelines 2019).

Die Review-Autoren fanden Evidenz von sehr niedriger Vertrauenswürdigkeit dafür, dass Antidepressiva im Vergleich zu einer Kontrollgruppe möglicherweise mit einer größeren Wahrscheinlichkeit für eine Heilung oder Besserung der Beschwerden assoziiert sind (OR 5,91, 95% CrI 1,12 bis 37,56; sehr niedrige Vertrauenswürdigkeit der Evidenz), jedoch war unklar, ob AD zu einer Verringerung von Schmerzen (MD -1,27, 95% CrI -3,25 bis 0,71; niedrige Vertrauenswürdigkeit der Evidenz), der Harndrang-Frequenz (MD -2,41, 95% CrI -6,85 bis 2,05; sehr niedrige Vertrauenswürdigkeit der Evidenz) oder des nächtlichen Harndrangs (MD 0,01, 95% CrI -2,53 bis 2,50; sehr niedrige Vertrauenswürdigkeit der Evidenz) führten.

Es gab keine Evidenz dafür, dass PPS zur Heilung oder Linderung der Beschwerden (OR 0,14, 95% CrI 0,40 bis 3,35; sehr niedrige Vertrauenswürdigkeit der Evidenz), weniger Schmerzen (MD 0,42, 95% CrI -1,04 bis 1,91; niedrige Vertrauenswürdigkeit der Evidenz), weniger häufigem Harndrang (MD -0,37, 95% CrI -5,00 bis 3,44; sehr niedrige Vertrauenswürdigkeit der Evidenz) oder weniger nächtlichem Harndrang (MD -1,20, 95% CrI -3,62 bis 1,28; sehr niedrige Vertrauenswürdigkeit der Evidenz) führte.

Es gab Evidenz dafür, dass eine neuromuskuläre Blockade häufiger zu Heilung oder Linderung der Beschwerden (OR 5,80, 95% CrI 2,08 bis 18,30) führte, nicht jedoch zu einer Verringerung von Schmerzen (MD -0,33, 95% CrI -1,71 bis 1,03), der Harndrang-Frequenz (MD -0,91, 95% CrI -3,24, 1,29) oder des nächtlichen Harndrangs (MD -0,04, 95% CrI -1,35 bis 1,27). Die Vertrauenswürdigkeit dieser Evidenz wurde durchgängig als sehr niedrig bewertet.

Anmerkungen zur Übersetzung: 

PLS: M. Zelck, Abstract: S. Graf, freigegeben durch Cochrane Deutschland.

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