Kopfimpuls-, Nystagmus- und vertikaler Schieltest (HINTS) zur Identifizierung von Ursachen im Gehirn bei akutem Schwindel

Kernaussagen

Die HINTS- und HINTS-Plus-Untersuchungen sind recht genau, um eine zentrale Ursache für das akute vestibuläre Syndrom (AVS) zu diagnostizieren.

Was ist ein akutes vestibuläres Syndrom?

Das akute vestibuläre Syndrom ist eine besondere Form des Schwindels, die mit starkem Schwindel (Drehschwindel), Übelkeit und Erbrechen, Nystagmus (unwillkürliche Augenbewegungen) oder Schwankschwindel einhergehen kann. Das akute vestibuläre Syndrom kann periphere (im Gehörgang) oder zentrale (im Gehirn) Ursachen haben. Kliniker*innen können die Ursachen anhand von Risikofaktoren, der persönlichen Anamnese, Untersuchungsergebnissen oder hochentwickelten Bildgebungstechniken, wie der Magnetresonanztomographie (MRT), feststellen.

Was sind die HINTS und HINTS Plus Untersuchungen?

Die HINTS-Untersuchung (Head Impulse, Nystagmus, Test of Skew) ist eine dreistufige Untersuchung, die von Kliniker*innen durchgeführt wird, um festzustellen, ob das AVS auf eine periphere oder zentrale Ursache zurückzuführen ist. Dazu gehört die Beurteilung des vestibulo-okulären Reflexes als Reaktion auf eine schnelle passive Kopfdrehung (Kopfimpuls), die Beurteilung der Richtung unwillkürlicher Augenbewegungen (Nystagmus) und die Beurteilung, ob die Augen in der Vertikalebene orthogonal ausgerichtet sind oder nicht (Test auf vertikalen Strabismus = Skew deviation). Die HINTS Plus-Untersuchung umfasst auch eine Beurteilung des Hörvermögens.

Was wollten wir herausfinden?

In diesem Review wurde geprüft, wie genau die HINTS- oder HINTS Plus-Untersuchung feststellt, ob das AVS einer Person auf eine zentrale Ursache zurückzuführen ist.

Wie gingen wir vor?

Wir suchten nach Studien mit Erwachsenen (ab 16 Jahren), in denen die diagnostische Genauigkeit der HINTS- oder HINTS Plus-Untersuchung im Vergleich zum Goldstandard mithilfe einer erweiterten Bildgebung oder der endgültigen Diagnose durch einen Neurologen bewertet wurde.

Was fanden wir?

Wir fanden 16 Studien mit insgesamt 2024 Teilnehmenden. Zwölf Studien bewerteten die HINTS-Untersuchung und fünf bewerteten die HINTS Plus-Untersuchung. Die meisten Studien wurden in der Notaufnahme durchgeführt; die Hälfte wurde von Neurologen durchgeführt. Die HINTS- und HINTS Plus-Untersuchungen hatten eine gute Sensitivität und eine angemessene Spezifität für die Diagnose einer zentralen Ursache für AVS.

Was schränkt die Evidenz ein?

Die eingeschlossenen Teilnehmenden, die Ausbildung, die Spezialisierung und die Erfahrung der Kliniker*innen variierten von Studie zu Studie. Die Ergebnisse der Studien konzentrierten sich in erster Linie auf eine einzige zentrale Ursache (Schlaganfall), während nur wenige Studien umfassendere Ursachen untersuchten, wie z. B. intrakranielle Blutungen, intrakranielle Tumore oder multiple Sklerose.

Wie aktuell ist die vorliegende Evidenz?

Die Evidenz ist auf dem Stand vom 26. September 2022.

Schlussfolgerungen der Autoren: 

Die HINTS- und HINTS Plus-Untersuchungen hatten eine gute Sensitivität und eine angemessene Spezifität hinsichtlich der Diagnose einer zentralen Ursache für AVS in der Notaufnahme, wenn sie von geschulten Klinikern durchgeführt wurden. Insgesamt war die Evidenz von geringer Vertrauenswürdigkeit. Es gab nur wenige Daten zur Rolle der Videounterstützung (Video-Kopfimpulstest) oder zu bestimmten Untergruppen.

Zukünftige Studien sollten mehr qualitativ hochwertige Studiendesigns zur HINTS- und HINTS Plus-Untersuchung, eine Bewertung der Unterschiede der Zuverlässigkeit bei verschiedenen Anwendern, der Genauigkeit bei verschiedenen Anwendern, Fachrichtungen und Erfahrungen sowie einen direkten Vergleich zu Studiengruppen mit Verzicht auf HINTS- oder MRT-Untersuchung umfassen, um die Wirkungen auf die klinische Versorgung zu bewerten.

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Hintergrund: 

Schwindel ist ein häufiger Grund, einen Arzt oder eine Ärztin aufzusuchen. Das akute vestibuläre Syndrom (AVS) ist eine besondere Form des Schwindels, die mit starkem Schwindel, Übelkeit und Erbrechen, Nystagmus und Gleichgewichtsstörungen einhergehen kann. Dem akuten vestibulären Syndrom können periphere oder zentrale Ursachen zugrunde liegen. Es ist wichtig, die Ursache zu ermitteln, da die Therapie und die Prognose davon abhängen, ob es sich um eine periphere oder eine zentrale Ursache handelt. Die Ursachen können anhand von Risikofaktoren, der Krankengeschichte, klinischen Untersuchungsergebnissen oder moderner Bildgebung wie einer Magnetresonanztomographie (MRT) ermittelt werden. Die HINTS-Untersuchung (Head Impulse, Nystagmus, Test of Skew) ist eine dreiteilige Untersuchung, die von Klinikern durchgeführt wird, um festzustellen, ob das AVS auf eine periphere oder zentrale Ursache zurückzuführen ist. Dazu gehört die Beurteilung des vestibulo-okulären Reflexes als Reaktion auf eine schnelle passive Kopfdrehung (Kopfimpuls), die Beurteilung der Richtung unwillkürlicher Augenbewegungen (Nystagmus) und die Beurteilung, ob die Augen in der Vertikalebene orthogonal ausgerichtet sind oder nicht (Test auf vertikalen Strabismus = Skew deviation). Die HINTS Plus-Untersuchung umfasst eine zusätzliche Beurteilung der Hörfunktion.

Zielsetzungen: 

Beurteilung der diagnostischen Genauigkeit der HINTS- und HINTS Plus-Untersuchungen mit oder ohne Videounterstützung zur Identifizierung einer zentralen Ätiologie des AVS.

Suchstrategie: 

Wir durchsuchten CENTRAL, MEDLINE, Embase, Google Scholar, die internationale HTA-Datenbank und zwei Studienregister bis September 2022.

Auswahlkriterien: 

Wir schlossen alle retrospektiven und prospektiven Studien zur diagnostischen Testgenauigkeit ein, die den HINTS- oder HINTS Plus-Test mit einer endgültigen Diagnose einer zentralen Ätiologie des AVS verglichen, wie sie durch den Referenzstandard der Bildgebung oder die endgültige Diagnose durch einen Neurologen definiert ist. Die Untersuchungen konnten in einer Klinik der Primärversorgung, in einer Notfallklinik, in der Notaufnahme oder während einer stationären Behandlung erfolgen.

Datensammlung und ‐analyse: 

Zwei Autoren entschieden unabhängig voneinander über die Eignung jeder Studie gemäß den Eignungskriterien, extrahierten Daten, bewerteten das Risiko einer Verzerrung und bestimmten die Vertrauenswürdigkeit der Evidenz. Unstimmigkeiten wurden im Konsens oder bei Bedarf durch einen dritten Autor entschieden.

Der primäre Endpunkt war die diagnostische Genauigkeit der HINTS- und HINTS Plus-Untersuchungen zur Identifizierung einer zentralen Ätiologie des AVS, klinisch (visuelle Beurteilung) oder mit Videounterstützung (Video-Kopfimpulstest) durchgeführt. Klinische und videogestützte Untersuchungen wurden unabhängig voneinander bewertet.

Untergruppenanalysen erfolgten nach Art des Untersuchenden (z. B. ärztlich, nicht-ärztlich), Zeit vom Auftreten der Symptome bis zur Vorstellung (z. B. weniger als 24 Stunden, länger als 24 Stunden), Referenzstandard (z. B. Bildgebung, Entlassungsdiagnose), zugrunde liegender Ätiologie (z. B. ischämischer Schlaganfall, alternative Ätiologien wie hämorrhagischer Schlaganfall, intrakranielle Raumforderung), Studienort (z. B. ambulant, Notaufnahme oder stationär), Ausbildungsstand des Arztes (z. B. Assistenzarzt, Oberarzt), Fachgebiet (z. B. HNO, Notfallmedizin, Neurologie und neurologischer Subspezialist, z. B. Neuroophthalmologie, Neurootologie) und hinsichtlich diagnostischer Genauigkeit der einzelnen Untersuchungskomponenten (z. B. Kopfimpuls, richtungswechselnder Nystagmus, Skew-Test).

Wir erstellten Vierfeldertafeln mit den richtig-positiven, richtig-negativen, falsch-positiven und falsch-negativen Ergebnissen und berechneten anhand dieser Daten die Sensitivität, Spezifität, die positive und negative Likelihood-Ratio mit 95 % Konfidenzintervallen (95 % CI) für jeden Endpunkt.

Hauptergebnisse: 

Wir schlossen 16 Studien mit insgesamt 2024 Teilnehmenden (981 Frauen und 1043 Männer) mit einem Durchschnittsalter von 60 Jahren ein. Zwölf Studien bewerteten die HINTS-Untersuchung und fünf bewerteten die HINTS Plus-Untersuchung. Dreizehn Studien wurden in der Notaufnahme durchgeführt, die Hälfte davon von Neurologen.

Die klinische HINTS-Untersuchung (12 Studien, 1890 Teilnehmende) war zu 94,0 % (95 % CI 82,0 % bis 98,2 %) sensitiv und zu 86,9 % (95 % CI 75,3 % bis 93,6 %) spezifisch (Evidenz von niedriger Vertrauenswürdigkeit). Die videogestützte HINTS-Untersuchung (3 Studien, 199 Teilnehmende) war 85,0 % bis 100 % sensitiv (Evidenz von niedriger Vertrauenswürdigkeit) und 38,9 % bis 100 % spezifisch (Evidenz von sehr niedriger Vertrauenswürdigkeit).

Die klinische HINTS Plus-Untersuchung (5 Studien, 451 Teilnehmende) war zu 95,3 % (95 % CI 78,4 % bis 99,1 %) sensitiv und zu 72,9 % (95 % CI 44,4 % bis 90,1 %) spezifisch (Evidenz von niedriger Vertrauenswürdigkeit). Die videogestützte HINTS Plus-Untersuchung (2 Studien, 163 Teilnehmende) war 85,0 % bis 93,8 % sensitiv und 28,6 % bis 38,9 % spezifisch (Evidenz von moderater Vertrauenswürdigkeit).

Untergruppenanalysen waren begrenzt durchführbar, da die meisten Studien in der Notaufnahme, von Ärzten und mit MRT als Referenzstandard durchgeführt wurden. Die Zeit vom Auftreten der Symptome bis zur Untersuchung variierte zwischen den Studien.

Bei drei Studien bestand ein hohes Risiko der Verzerrung und bei drei Studien war das Risiko der Verzerrung hinsichtlich der Auswahl der Teilnehmer unklar. Drei Studien wiesen ein unklares Verzerrungsrisiko für den Index-Test auf. Bei vier Studien war das Risiko einer Verzerrung in Bezug auf den Referenzstandard unklar. Bei zwei Studien bestand ein unklares Risiko der Verzerrung in Bezug auf den zeitlichen Ablauf der Untersuchungen. Bei einer Studie gab es Bedenken hinsichtlich der Teilnehmerauswahl. Bei zwei Studien bestanden große Bedenken hinsichtlich der Eignung des Index-Tests und bei zwei Studien bestanden Unklarheiten hinsichtlich der Eignung des Index-Tests. In keiner Studie gab es Bedenken hinsichtlich der Anwendbarkeit des Referenzstandards.

Anmerkungen zur Übersetzung: 

T. Brugger, B. Schindler, freigegeben durch Cochrane Deutschland

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