Ist eine frühe oder späte Tracheotomie effektiver bei schwer an COVID-19-Erkrankten, die voraussichtlich langfristig künstlich beatmet werden müssen?

Kernaussagen

- Bei Erwachsenen mit COVID-19, die im Krankenhaus mit einem Gerät maschinell beatmet werden, kann eine Tracheotomie durchgeführt werden. Eine Tracheotomie ist ein ärztlicher Hautschnitt am Hals, um einen Beatmungsschlauch direkt in der Luftröhre zu platzieren. Möglicherweise gibt es nur einen geringen oder keinen Unterschied zwischen einer frühen Tracheotomie (innerhalb von 10 Tagen nach Beginn der Beatmung) und einer späten Tracheotomie (10 Tage oder mehr nach Beginn der Beatmung) hinsichtlich der Zahl an Todesfällen und der Zeit, die die Patient*innen an einem Beatmungsgerät verbringen.

- Wir wissen nicht, ob eine frühe Tracheotomie den Zustand der Patienten verbessert oder verschlechtert oder ob sie die Behandlung auf der Intensivstation verkürzt.

- Die Forschenden sollten sich auf die wichtigsten Endpunkte einigen, die in der COVID-19-Forschung verwendet werden sollen; künftige Forschung sollte sich auf gut konzipierte Studien mit belastbaren Methoden konzentrieren. Wir könnten dann aussagekräftigere Schlüsse über den besten Zeitpunkt für eine Tracheotomie bei schwer an COVID-19-Erkrankten ziehen.

Was ist eine Tracheotomie?

Bei einer Tracheotomie machen Ärzt*innen einen Hautschnitt am Hals bis in die Luftröhre, um einen Beatmungsschlauch einzuführen. Die (Be)atmung erfolgt dann vollständig über diesen Schlauch. Tracheotomien werden bei Patient*innen, die langfristig beatmet werden müssen, durchgeführt, um die Beatmung zu erleichtern und einen sicheren Atemwegszugang direkt zur Luftröhre zu schaffen. Im Vergleich zu einem Beatmungsschlauch durch den Mund bietet eine Trachealkanüle den Vorteil, dass der Luftwiderstand geringer ist. Dies kann dazu beitragen, die Atemarbeit zu verringern und die Entwöhnung von der mechanischen Beatmung zu erleichtern. Tracheotomien können jedoch auch zu Komplikationen führen. Es besteht das Risiko einer Infektion an der Tracheotomiestelle. Die längere Verwendung einer Trachealkanüle kann zu einer Obstruktion der Luftröhre führen. Dies kann die Luftzufuhr behindern und zu Atembeschwerden führen.

Tracheotomien können "früh" oder "spät" nach Beginn der Beatmung durchgeführt werden. „Früh" wird häufig als während der ersten 10 Tage der Beatmung und "spät" als 10 Tage oder mehr nach Beginn der Beatmung definiert.

Welcher Zusammenhang besteht zwischen Tracheotomie und COVID-19?

Die meisten schwer an COVID-19-Erkrankten benötigen Hilfe bei der Atmung. In einigen Fällen bedeutet dies eine langfristige mechanische Beatmung, so dass eine Tracheotomie in Frage kommen kann. Eine Tracheotomie kann sowohl für die Patient*innen als auch für die Pflegenden mit ernsten Komplikationen verbunden sein. An COVID-19-Erkrankte haben bereits ein höheres Risiko für zusätzliche Infektionen, weil ihr Immunsystem geschwächt ist. Die Tracheotomie kann ein zusätzliches Infektionsrisiko mit sich bringen. Diese Patient*innen haben oft ein höheres Blutungsrisiko. Während einer Tracheotomie kann es zu Blutungskomplikationen kommen. Mediziner*innen und Pflegepersonal sind einem erhöhten Risiko ausgesetzt, sich während des Eingriffs mit dem Virus zu infizieren.

Bislang gibt es keine allgemeingültigen Empfehlungen für den besten Zeitpunkt einer Tracheotomie.

Was wollten wir herausfinden?

Wir wollten herausfinden, welche Wirkungen eine frühe Tracheotomie bei sehr schwer an COVID-19-Erkrankten auf folgende Endpunkte hat:

- Tod (jeglicher Ursache);

- ob es den Patient*innen nach der Behandlung besser ging, gemessen an der Zeit, die sie maschinell beatmet werden mussten;

- ob sich der Zustand der Patient*innen so verschlechterte, dass sie unerwünschte Wirkungen, wie z. B. Lungeninfektionen, entwickelten; und

- wie lange sie auf der Intensivstation blieben.

Wie gingen wir vor?

Wir suchten nach Studien, die eine frühe Tracheotomie im Vergleich zu einer späten Tracheotomie bei hospitalisierten Erwachsenen mit COVID-19 untersuchten.

Wir verglichen ihre Ergebnisse, fassten sie mit statistischen Methoden zusammen und bewerteten unser Vertrauen in die Evidenz auf der Grundlage von Faktoren wie Studienmethoden und Größe der Studien.

Was fanden wir?

Wir fanden eine Studie von guter Qualität mit 150 Personen und 24 Studien von geringerer Qualität mit 6372 Personen. Das Durchschnittsalter der Teilnehmenden betrug 62 Jahre. Die Studien wurden weltweit durchgeführt, hauptsächlich in Ländern mit hohem und oberem mittleren Einkommen. Alle Studien verglichen eine frühe mit einer späten Tracheotomie, definierten aber früh und spät unterschiedlich. Frühe Tracheotomie wurde definiert als 7, 10, 12, 14 und 21 Tage nach Beginn der mechanischen Beatmung. Wir definierten frühe Tracheotomie als bis zu 10 Tage nach Beginn der mechanischen Beatmung; nach 10 Tagen als späte Tracheotomie. Diese Zeitdefinitionen wurden in der Studie mit guter Qualität und in 6 der anderen Studien verwendet.

Hauptergebnisse

In einer Studie mit 150 Personen fanden wir folgende Ergebnisse.

Todesfälle : Eine frühzeitige Tracheotomie führt möglicherweise zu einem geringen oder gar keinem Unterschied bei den Todesfällen. Von 1000 Menschen sterben möglicherweise 67 weniger, wenn eine Tracheotomie früh durchgeführt wird.

Ging es Patient*innen mit einer frühen Tracheotomie besser? Eine frühe Tracheotomie hat möglicherweise geringe oder gar keine Auswirkungen auf die Dauer der Beatmungszeit.

Verschlechtert sich der Zustand der Patient*innen bei einer frühen Tracheotomie? Eine frühe Tracheotomie führt möglicherweise zu einem geringen oder gar keinem Unterschied bei der Zahl folgender Patient*innen:

- mit jeglichen unerwünschten Wirkungen; oder

- mit beatmungsbedingten Lungeninfektionen.

Wie lange mussten die Patient*innen auf der Intensivstation bleiben? Eine frühe Tracheotomie macht möglicherweise einen geringen oder gar keinen Unterschied in Bezug auf die Verweildauer der Patient*innen auf der Intensivstation.

Was schränkt die Evidenz ein?

Unser Vertrauen in die Evidenz ist sehr begrenzt, da wir nur eine Studie von guter Qualität mit wenigen Teilnehmenden fanden. In den anderen, weniger belastbaren Studien wurden Tracheotomien zu sehr unterschiedlichen Zeitpunkten durchgeführt und die Ergebnisse uneinheitlich gemessen und berichtet.

Wie aktuell ist die vorliegende Evidenz?

Die Evidenz ist auf dem Stand von 14. Juni 2022.

Anmerkungen zur Übersetzung: 

T. Brugger, B. Schindler, freigegeben durch Cochrane Deutschland

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