Vorbeugung von venösen Thromboembolien bei Frauen während Schwangerschaft, Geburt und nach der Geburt

Wir ermittelten anhand von randomisierten kontrollierten Studien den Nutzen und Schaden von Behandlungen während der Schwangerschaft, der Geburt und nach der Geburt zur Vorbeugung von Blutgerinnseln in den Venen bei Frauen mit erhöhtem Risiko.

Worum geht es?

Ein Blutgerinnsel kann sich in einer tiefen Vene bilden, meist in den Beinen. Dies wird als tiefe Venenthrombose (DVT) bezeichnet. Wenn sich ein Teil des Gerinnsels ablöst, kann es mit dem Blut in die Lunge transportiert werden und dort die Blutgefäße blockieren. Dies wird als Lungenembolie bezeichnet und kann zum Tod führen, was jedoch selten vorkommt. Zusammengefasst werden diese Erkrankungen als venöse Thromboembolien (VTE) bezeichnet. Das Blutgerinnungssystem von Schwangeren ist aktiver, um sie vor übermäßigen Blutungen während der Geburt zu schützen. Einige Frauen haben während der Schwangerschaft und rund um die Geburt ein höheres Risiko für VTE. Dazu gehören Frauen mit früherer VTE, Thrombophilie (eine Erkrankung, die die Bildung von Blutgerinnseln begünstigt) und nach einem Kaiserschnitt.

Warum ist das wichtig?

Frauen mit erhöhtem Risiko für VTE während der Schwangerschaft und in den sechs Wochen nach der Entbindung erhalten in der Regel Behandlungen zur Vorbeugung von Blutgerinnseln. Die Behandlungen unterscheiden sich, da es keine eindeutigen Leitlinien gibt. Zu den Behandlungen zur Vorbeugung von VTE gehören Medikamente mit dem Wirkstoff Heparin, Aspirin und das Tragen von Kompressionsstrümpfen, um die Durchblutung der Beine zu verbessern. Einige Behandlungen können Frauen potenziell schaden, indem sie zum Beispiel den Blutverlust nach der Geburt erhöhen oder die Wundheilung beeinträchtigen.

Welche Evidenz haben wir gefunden?

Dies ist eine Aktualisierung eines Cochrane-Reviews aus dem Jahr 2014. Wir suchten im Oktober 2019 nach neuer Evidenz. In den Review sind nun neunundzwanzig randomisierte kontrollierte Studien mit 3839 Frauen eingeschlossen. Die Studien wurden zwischen 1975 und 2016 veröffentlicht und wurden hauptsächlich in einkommensstarken Ländern durchgeführt. Sie umfassten Frauen mit erhöhtem Risiko für VTE während der Schwangerschaft, während der Geburt und nach der Entbindung. Zu den untersuchten Behandlungen gehörten verschiedene Arten und Dosierungen von Heparin (niedermolekulares Heparin und unfraktioniertes Heparin) sowie Kompressionsstrümpfe oder -geräte. Todesfälle traten nicht auf. Die berichteten Ergebnisse wurden durch Evidenz von sehr niedriger Vertrauenswürdigkeit gestützt.

Beginn der Behandlung während der Schwangerschaft (mit oder ohne Behandlung nach der Geburt): Wir untersuchten das Auftreten von symptomatischen VTE und unerwünschten Wirkungen, die die Frauen zum Abbruch der Behandlung veranlassten. Mögliche Nutzen von Heparin waren unklar, wenn man diese Art der Behandlung mit keiner Behandlung oder einem Placebo verglich (bewertet in bis zu vier Studien mit 476 Frauen). Ähnlich verhält es sich bei verschiedenen Arten von Heparin (bewertet in bis zu vier Studien mit 404 Frauen), verschiedenen Dosierungen von niedermolekularem Heparin (in einer Studie mit 144 Frauen) und Kompressionsstrümpfen im Vergleich zu keinen Strümpfen (in einer Studie mit 44 Frauen).

Für die Behandlung während und nach vaginaler Geburt oder Kaiserschnitt: Wir sind sehr unsicher über die Wirkung von Heparin im Vergleich zu keiner Behandlung auf das Auftreten symptomatischer VTE (bewertet in einer Studie mit 210 Frauen). In dieser Studie wurde über keine unerwünschte Wirkungen berichtet, die Frauen zum Abbruch der Behandlung veranlassten.

Für die Behandlung während und nach Kaiserschnitt: Wir sind sehr unsicher über die Auswirkungen von Heparin im Vergleich zu keiner Behandlung oder Placebo (bewertet in bis zu fünf Studien mit 1140 Frauen). Die Studien untersuchten verschiedene Arten oder Dosierungen von Heparin und Kompressionsgeräte im Vergleich zu Bettruhe (in einer Studie mit 49 Frauen). Es wurden keine unerwünschten Wirkungen berichtet, die zu einem Behandlungsabbruch geführt hätten.

Betrachtet man die Behandlung nach einer vaginalen Geburt oder einem Kaiserschnitt: in zwei Studien (58 Frauen) wurden keine symptomatischen VTEs bei Frauen berichtet, die entweder Heparin oder keine Behandlung oder Placebo erhielten. In keiner Studie wurde über unerwünschte Wirkungen berichtet, die dazu führten, dass Frauen die Behandlung abbrachen.

Was bedeutet dies?

Wir sind sehr unsicher, ob der Nutzen von Behandlungen zur Vorbeugung von tiefen Venengerinnseln, bei Frauen mit hohem Risiko während der Schwangerschaft und um die Geburt herum, möglichen Schaden überwiegt. In die Vergleiche wurden nur wenige Studien mit verschiedenen Endpunkten und einer geringen Anzahl von Ereignissen einbezogen. Einige Studien wiesen Einschränkungen in ihrem Aufbau auf und die Definition der Risikofaktoren für die Blutgerinnung und der Endpunkte war nicht immer eindeutig. Es werden mehr, große und hochwertige Studien benötigt.

Schlussfolgerungen der Autoren: 

Die Evidenz zum Nutzen und Schaden einer VTE-Prophylaxe bei Frauen mit erhöhtem VTE-Risiko während der Schwangerschaft und in der frühen postpartalen Phase ist sehr unsicher. Es sind weitere hochwertige, groß angelegte randomisierte Studien erforderlich, um die Wirkungen derzeit verwendeter Behandlungen bei Frauen mit verschiedenen VTE-Risikofaktoren zu ermitteln. Da die Finanzierung umfangreicher und definitiver Studien unwahrscheinlich ist, sind Sekundärdatenanalysen auf Grundlage hochwertiger Registerdaten wichtig.

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Hintergrund: 

Venöse Thromboembolien (VTE) sind selten und dennoch eine der Hauptursachen für maternale Mortalität und Morbidität. Bei einigen Frauen besteht während der Schwangerschaft und in der frühen postpartalen Phase ein erhöhtes VTE-Risiko (z.B. nach Kaiserschnitt, VTE in der Familie oder Thrombophilie), so dass eine Prophylaxe erwogen werden kann. Da einige Prophylaxe-Methoden das Risiko unerwünschter Wirkungen in sich bergen und gleichzeitig das VTE-Risiko oft gering ist, können schädliche Wirkungen gegenüber dem Nutzen einer Thromboseprophylaxe möglicherweise überwiegen.

Zielsetzungen: 

Ziel des Reviews war es, die Wirkungen von Thromboseprophylaxe während der Schwangerschaft und in der frühen postpartalen Phase auf das Risiko venöser thromboembolischer Störungsbilder und unerwünschter Wirkungen bei Frauen mit erhöhtem Risiko für VTE zu begutachten.

Suchstrategie: 

Wir durchsuchten das Cochrane Pregnancy and Childbirth Group's Trials Register (18. Oktober 2019). Darüber hinaus durchsuchten wir ClinicalTrials.gov sowie die WHO International Clinical Trials Registry Platform (ICTRP) nach Berichten zu unveröffentlichten, geplanten und laufenden Studien (18. Oktober 2019).

Auswahlkriterien: 

In den Review eingeschlossen wurden randomisierte Studien, in denen eine Thromboseprophylaxe-Methode mit einer Placebo-Behandlung oder keiner Behandlung oder zwei (oder mehr) Thromboseprophylaxe-Methoden miteinander verglichen wurden.

Datensammlung und ‐analyse: 

Mindestens zwei Review-Autoren bewerteten die Eignung der Studien für den Einschluss in den Review, extrahierten die Daten, bewerteten das Risiko für Bias und bewerteten die Vertrauenswürdigkeit der Evidenz für ausgewählte entscheidende Endpunkte (unter Anwendung von GRADE). Wir führten Fixed-Effect Metaanalysen durch und dokumentierten die Daten (alle dichotom) als zusammengefasste Risiko-Verhältnisse (RRs) mit 95 %-Konfidenzintervallen (KIs) an.

Hauptergebnisse: 

Es wurden 29 Studien (an denen 3839 Frauen teilnahmen) mit insgesamt moderatem bis hohem Risiko für Bias eingeschlossen. Die Studien wurden in der antepartalen, peripartalen und postpartalen Phase durchgeführt, die meisten davon in einkommensstarken Ländern. Die Interventionen umfassten Formen von und Regime mit Heparin (niedermolekulares Heparin (NMH) und unfraktioniertes Heparin (UFH)), Hydroxyethylstärke (HES) sowie Kompressionsstrümpfe oder -geräte. Die Daten waren begrenzt, da es zu den Vergleichen nur wenige Studien gab und/oder nur wenige oder keine unerwünschten Ergebnisereignisse berichtet wurden. Die Vertrauenswürdigkeit der Evidenz wurde für alle kritischen Endpunkte (bewertet für die Vergleiche von Heparin mit keiner Behandlung/Placebo und NMH mit UFH) als sehr niedrig bewertet. Die Hauptgründe für die Herabstufung waren Studieneinschränkungen und unzureichend präzise Effektschätzer. Über maternale Todesfälle wurde in den meisten Studien nicht berichtet.

Antepartale (± postpartale) Prophylaxe

Für die primären Endpunkte symptomatische thromboembolische Ereignisse, Lungenembolie (LE) und/oder tiefe Venenthrombose (TVT) sowie den kritischen Endpunkt unerwünschte Wirkungen, die zum Abbruch der Behandlung führten, war die Evidenz sehr unsicher.

Symptomatische thromboembolische Ereignisse:

- Heparin verglichen mit keiner Behandlung/Placebo (RR 0,39; 95% KI 0,08 bis 1,98; 4 Studien, 476 Frauen; sehr niedrige Vertrauenswürdigkeit der Evidenz);

- NMH verglichen mit UFH (RR 0,47; 95% KI 0,09 bis 2,49; 4 Studien, 404 Frauen; sehr niedrige Vertrauenswürdigkeit der Evidenz);

Symptomatische LE:

- Heparin verglichen mit keiner Behandlung/Placebo (RR 0,33; 95% KI 0,02 bis 7,14; 3 Studien, 187 Frauen; sehr niedrige Vertrauenswürdigkeit der Evidenz);

- NMH verglichen zu UFH (keine Ereignisse; 3 Studien, 287 Frauen);

Symptomatische TVT:

- Heparin verglichen mit keiner Behandlung/Placebo (RR 0,33; 95% KI 0,04 bis 3,10; 4 Studien, 227 Frauen; sehr niedrige Vertrauenswürdigkeit der Evidenz);

- NMH verglichen zu UFH (keine Ereignisse; 3 Studien, 287 Frauen);

Unerwünschte Wirkungen, die zum Abbruch der Behandlung führen:

- Heparin verglichen mit keiner Behandlung/Placebo (RR 0,49; 95% KI 0,05 bis 5,31; 1 Studie, 139 Frauen; sehr niedrige Vertrauenswürdigkeit der Evidenz);

- NMH verglichen mit UFH (RR 0,07; 95% KI 0,01 bis 0,54; 2 Studien, 226 Frauen; sehr niedrige Vertrauenswürdigkeit der Evidenz).

Peripartale/postpartale Prophylaxe

Vaginale Geburt oder Kaiserschnitt-Geburt

Beim Vergleich von UFH und keiner Behandlung war die Wirkung auf symptomatische thromboembolische Ereignisse (RR 0,16; 95% KI 0,02 bis 1,36; 1 Studie, 210 Frauen; sehr niedrige Vertrauenswürdigkeit der Evidenz), symptomatische LE (RR 0,16; 95% KI 0,01 bis 3,34; 1 Studie, 210 Frauen; sehr niedrige Vertrauenswürdigkeit der Evidenz) und symptomatische TVT (RR 0,27; 95% KI 0,03 bis 2,55; 1 Studie, 210 Frauen; sehr niedrige Vertrauenswürdigkeit der Evidenz) sehr unsicher. Über maternale Todesfälle und unerwünschte Wirkungen, die zum Abbruch der Behandlung führten, wurde nicht berichtet.

Kaiserschnitt-Geburten

Symptomatische thromboembolische Ereignisse:

- Heparin verglichen mit keiner Behandlung/Placebo (RR 1,30; 95% KI 0,39 bis 4,27; 4 Studien, 840 Frauen; sehr niedrige Vertrauenswürdigkeit der Evidenz);

- NMH verglichen mit UFH (RR 0,33; 95% KI 0,01 bis 7,99; 3 Studien, 217 Frauen; sehr niedrige Vertrauenswürdigkeit der Evidenz);

Symptomatische LE:

- Heparin verglichen mit keiner Behandlung/Placebo (RR 1,10; 95% KI 0,25 bis 4,87; 4 Studien, 840 Frauen; sehr niedrige Vertrauenswürdigkeit der Evidenz);

- NMH verglichen mit UFH (keine Ereignisse; 3 Studien, 217 Frauen);

Symptomatische TVT:

- Heparin verglichen mit keiner Behandlung/Placebo (RR 1,30; 95 % KI 0,24 bis 6,94; 5 Studien, 1140 Frauen; sehr niedrige Vertrauenswürdigkeit der Evidenz); NMH verglichen mit UFH (RR 0,33; 95 % KI 0,01 bis 7,99; 3 Studien, 217 Frauen; sehr niedrige Vertrauenswürdigkeit der Evidenz);

Maternale Todesfälle:

- Heparin verglichen mit Placebo (keine Ereignisse, 1 Studie, 300 Frauen);

Unerwünschte Wirkungen, die zum Abbruch der Behandlung führen:

- Heparin verglichen mit Placebo (keine Ereignisse; 1 Studie, 140 Frauen).

Postpartale Prophylaxe

Beim Vergleich von NMH zu keiner Behandlung/Placebo wurden zu symptomatischen thromboembolischen Ereignissen, symptomatischen LE und symptomatischen TVT (alle 2 Studien, 58 Frauen) oder maternalen Todesfällen (1 Studie, 24 Frauen) keine Ereignisse berichtet. Unerwünschte Wirkungen, die zum Abbruch der Behandlung führten, wurden nicht berichtet.

Aufgrund mangelnder Daten konnten wir keine Subgruppenanalysen durchführen.

Eine Sensitivitätsanalyse, in die die neun Studien mit niedrigem Risiko für Bias eingeschlossen wurden, hatte keinen Einfluss auf die Gesamtergebnisse.

Anmerkungen zur Übersetzung: 

PLS S. Laquai, Abstract T. Böhmerle, freigegeben durch Cochrane Deutschland

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